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Journal Club: Where have all the bloody teaspoons gone?

Ein Klassiker der Weihnachtsausgaben des BMJ ist die australische Teelöffel-Beobachtungsstudie:

Referenz:

Lim MSC, Hellard ME, Aitken CK. The Case of the Disappearing Teaspoons: A Longitudinal Cohort Study on the Displacement of Teaspoons in an Australian Research Institute. BMJ. 2005;331(7531):1498-1500.

Worum geht es?

An einem australischen Gesundheits-Forschungs-Institut fanden die Autoren im Januar 2004 in ihrer Teeküche keine Teelöffel mehr vor, was „das Einrühren von Zucker und das Abmessen von Instant-Kaffee“ stark erschwerte. Ersatzbeschaffungen verschwanden ebenfalls rasch. Angesichts des Mangels an wissenschaftlicher Literatur zu diesem Thema entschieden sich die Forscher für eine epidemiologische Beobachtungsstudie, um das Rätsel der schwindenden Teelöffel zu lösen. Die Fragestellung, die beantwortet werden sollte, lautete:

Wie ist die Verlustrate von Teelöffeln und wie ist die Halbwertszeit des „Überlebens“ von Teelöffeln.

Um das Problem näher eingrenzen zu können (Institut mit 140 Mitarbeitern, vier öffentliche und vier projektbezogene Teeküchen) entschied man sich, eine Pilotstudie durchzuführen. In dieser wurden 16 markierte Teelöffel in den öffentlichen und 16 markierte Teelöffel in den projektbezogenen Teeküchen platziert. Innerhalb der Beobachtungszeit von fünf Monaten kam es zu einem Verschwinden der meisten Teelöffel.

Für die Hauptstudie wurden insgesamt markierte 70 Teelöffel ausgebracht, 16 hochwertige und 54 günstige Teelöffel.

Viele billige Teelöffel in einer Schublade
Viele billige Teelöffel in einer Schublade

Die teuren Teelöffel wurden insbesondere in den Teeküchen platziert, in denen es in der Pilotstudie zu einem besonders starken Verlust an Teelöffeln gekommen war. Nach fünf Monaten wurden die Mitarbeitenden über die Studie informiert und ein Fragebogen zum Thema Teelöffel-Diebstahl versendet.

Was kam raus?

In den öffentlichen Teeküchen verschwanden die Teelöffel deutlich schneller als in den projektbezogenen. Die Halbwertszeit des „Teelöffel-Überlebens“ lag in öffentlichen Teeküchen bei 42 Tagen, in den projektbezogenen bei 77 Tagen. Am Ende der Beobachtungszeit waren 56 der 70 Teelöffel verschwunden, was einer Verlustrate von 86% entspricht.

aus: im MSC, Hellard ME, Aitken CK. The case of the disappearing teaspoons: longitudinal cohort study of the displacement of teaspoons in an Australian research institute. BMJ. 2005;331(7531):1498-1500.
aus: im MSC, Hellard ME, Aitken CK. The case of the disappearing teaspoons: longitudinal cohort study of the displacement of teaspoons in an Australian research institute. BMJ. 2005;331(7531):1498-1500.

Über die gesamte Studiendauer wurden die Teelöffel über 5.668 „Teelöffel-Tage“ aufgezeichnet, daraus lässt sich ein Verlust von 0,99 Teelöffeln/100 Teelöffel-Tage oder von 360,62 Teelöffeln/100 Teelöffel-Jahren berechnen. Bezogen auf die 140 Mitarbeiter bedeutet das einen Teelöffel-Schwind von 2,58 Teelöffeln/Mitarbeiter und 100 Tagen, bzw. von 252 Teelöffeln in einem Jahr. Teure Teelöffel verschwanden nicht schneller als billige.

Fünf Monate nach Studienbeginn erfolgte – wie Eingangs erwähnt – die Offenlegung der Studie gegenüber den anderen Mitarbeitern des Instituts und der Versand eines Fragebogens. Nach Offenlegung der Studie fanden fünf Teelöffel ihren Weg zurück, vier Teelöffel wurden – teils weit entfernt vom Ort des Verschwindens – wiedergefunden, ein Teelöffel 20 Wochen nach seiner letzten Sichtung im Institut.

aus: im MSC, Hellard ME, Aitken CK. The case of the disappearing teaspoons: longitudinal cohort study of the displacement of teaspoons in an Australian research institute. BMJ. 2005;331(7531):1498-1500.
aus: im MSC, Hellard ME, Aitken CK. The case of the disappearing teaspoons: longitudinal cohort study of the displacement of teaspoons in an Australian research institute. BMJ. 2005;331(7531):1498-1500.

Der Fragebogen wurde von 67% der Mitarbeiter ausgefüllt und offenbart eine gewisse kognitive Dissonanz. Während ein Großteil den Diebstahl von Teelöffeln ablehnte und die allermeisten Mitarbeiter die Teelöffel-Versorgungssituation als sehr unbefriedigend betrachteten, gaben immerhin 38% der Probanden an, schon mal einen Teelöffel gestohlen zu haben, davon 61% bei der Arbeit.

Warum ist das Paper wichtig?

Das Paper ist auch deshalb ein Klassiker geworden, weil es neben der ihm innewohnenden Komik sehr schön illustriert, was eine gute Beobachtungsstudie ausmacht, wie man sie konzipiert und was sie beantworten kann und was nicht: Sie kann eben keine Kausalitäten zeigen.

Und daher bleibt die Erklärung, warum der Teelöffel-Klau so ist wie er ist, auch spekulativ. Neben der – historischen – Theorie der tragedy of the commons, nach der Menschen bei öffentlich verfügbaren Gütern dazu neigen, mehr als ihnen eigentlich zustehen würde zu nehmen, „weil ja eh genug da ist“, bis am Ende für alle zu wenig verfügbar ist, führen die Autoren folgende Ideen an:

We propose a somewhat more speculative theory (with apologies to Douglas Adams and Veet Voojagig). Somewhere in the cosmos, along with all the planets inhabited by humanoids, reptiloids, walking treeoids, and superintelligent shades of the colour blue, a planet is entirely given over to spoon life-forms. Unattended spoons make their way to this planet, slipping away through space to a world where they enjoy a uniquely spoonoid lifestyle, responding to highly spoon oriented stimuli, and generally leading the spoon equivalent of the good life.

Ein weiterer Erklärungsansatz sei:

Our data might also be contemplated through the prism of counterphenomenological resistentialism, which holds that les choses sont contre nous (things are against us).Resistentialism is the belief that inanimate objects have a natural antipathy towards humans, and therefore it is not people who control things but things that increasingly control people. Although it seems unreasonable to say that the teaspoons are exerting any influence over the Burnet Institute’s employees (with the exception of the authors), their demonstrated ability to migrate and disappear shows that we have little or no control over them.

Ich bin mir sicher, diese Erklärung stimmt.

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