Muss ich ein Bild machen? Über die Notwendigkeit von Bildgebung bei Kopfschmerzen

Es kommt eine 35-jährige Patientin mit wiederkehrenden einseitigen, pulsierenden Kopfschmerzen zu Ihnen. Die Kommunikation ist bei einer Sprachbarriere erschwert, es bestehen in der Anamnese – welche nur mit Dolmetscher möglich ist – Hinweise auf psychosomatische Beschwerden. Braucht die Patientin eine kraniale Bildgebung?

Mit dieser Fallvignette hat mich Heiner Averbeck (Link Twitter) mit der Nase auf das naheliegende Thema Bildgebung bei Kopfschmerzen gestoßen, was ja nicht nur für Neurologen, sondern auch für Allgemein- und Notfallmediziner interessant ist.

Grundidee ist es sekundäre Kopfschmerzen, denen eine akut behandlungsbedürftige Erkrankung zu Grunde liegt, aus den viel häufigeren primären Kopfschmerzen „herauszufiltern“. In der Krankenhausneurologie lautet die Antwort auf die oben gestellte Frage und ähnliche Fallkonstellationen oft: „Ach, mach doch ein Bild“ oder „empfehle doch ein ambulantes MRT des Kopfes“. Der Punkt ist nur: Was sagt denn die medizinische Literatur zu diesen Empfehlungen? Ist das reine Bauchgefühl-Medizin oder kann man das mit wissenschaftlichen Daten unterfüttern oder müsste man eigentlich ganz andere Ratschläge aussprechen? Leider ist die Literatur zu dem Thema – sagen wir mal diplomatisch – überschaubar und überwiegend recht alt. Außerdem muss man bei den Veröffentlichungen höllisch aufpassen, welche Konstellation gerade besprochen wird:

  • Die Vorstellung mit akuten Kopfschmerzen
  • Oder die Vorstellung wegen wiederkehrender Kopfschmerzen

Häufigkeit von Kopfschmerzen bei ärztlichen Konsulationen

In einer schon gut 20 Jahre alten Erhebung aus Paris wurden die Leitsymptome von neurologischen Notfallvorstellungen untersucht. Kopfschmerzen machten dabei ca. 8% aller Notfallvorstellungen aus, von denen wiederum 92% primäre Kopfschmerzerkrankungen und 8% symptomatische, sekundäre Kopfschmerzen waren.

nach: Moulin T, Berger, E, et al.: Emergency neurology consultations in the university hospital setting: contribution of the neurologist to inpatient management. Rev Neurol (Paris). 2000 Oct;156(10):839-47.
nach: Moulin T, Berger, E, et al.: Emergency neurology consultations in the university hospital setting: contribution of the neurologist to inpatient management. Rev Neurol (Paris). 2000 Oct;156(10):839-47.

In Hausarztpraxen erfolgen nach einer Arbeit von Carmienke et al. 2-5% aller Konsultationen auf Grund von Kopfschmerzen. Hier liegt der Anteil an symptomatischen Kopfschmerzen sogar nur bei 2%, dafür ist die (bildgebende) Notfalldiagnostik in der Regel auch nicht unmittelbar verfügbar. Interessant ist auch die Umkehrung der Betrachtungsweise: Von den Patienten, die wegen Kopfschmerzen ihren Hausarzt aufsuchen, sind die beiden häufigsten Konsultationsgründe folgende: Ca. 23% kommen auf Grund von Kopfschmerzen nach, bzw. im Rahmen eines Atemwegs-Infektes (also einem symptomatischem Kopfschmerz) und ca. 20% auf Grund einer Migräne (einem primären Kopfschmerz).

Es stellt sich also die Frage: Braucht es eine Bildgebung und wenn ja, wie zeitnah sollte diese erfolgen? Auch – oder gerade – wenn man kein Kopfschmerz-Experte ist braucht man also eine Operationalisierung des Leitsymptoms Kopfschmerzen. Hier können – wie bei den Rückenschmerzen (Link) auch – red flags als Warnsymptome für „was ernstes“ weiterhelfen.

Red and yellow flags

Grundidee der red flags ist es, symptomatische Kopfschmerzen per Anamnese zu detektieren. Die bei der Fragestellung hilfreiche, seit Jahren aber nicht mehr aktualisierte DGN-Leitlinie Diagnostik und apparative Zusatzuntersuchungen bei Kopfschmerzen sagt folgendes:

Bei typischer Klinik [für eine primäre Kopfschmerzerkrankung] und normalem neurologischem Befund ist die Wahrscheinlichkeit von irrelevanten Zufallsbefunden höher als die Wahrscheinlichkeit, einen behandlungswürdigen Befund zu erheben.

Natürlich gibt es auch bei den symptomatischen, sekundären Kopfschmerzen dringlichere und weniger dringliche Krankheitsbilder. Dies versucht man durch die Kategorie yellow flags abzubilden. Auch wenn die Begrifflichkeit das suggerieren scheint diese Unterteilung im englischsprachigen Sprachraum gar nicht so sehr üblich. Dort findet man eher folgendes Akronym, an dem man sich langhangeln kann.

S:Systemische Erkrankungen oder sekundäre Risikofaktoren
N:Neurologische Auffälligkeiten
O:„Onset“ für plötzlichen Beginn (Donnerschlagkopfschmerzen)
O:„Older“ für Alter > 50 Jahre
P:„Pattern change“: Progression vorhandener Kopfschmerzen, Änderung der Kopfschmerzfrequenz oder des Kopfschmerzcharakters.

Ganz prinzipiell muss man sich überlegen, ob einem red und yellow flags bei der Fragestellung als Eselsbrücke wirklich weiterhelfen oder ob es nicht eine einfachere Merkregel gibt, doch dazu unten mehr. Lest erst einmal selbst:

Red Flags

Kopfschmerzen, die auf eine Subarachnoidalblutung oder eine intrazerebrale Blutung oder eine Meningitis hinweisen haben die höchste Abklärungspriorität. Dementsprechend sind der Donnerschlagkopfschmerz und Kopfschmerzen mit akut aufgetretener Fokalneurologie, mit epileptischen Anfällen, einer Visus- und/oder Vigilanzminderung und mit Fieber und Meningismus absolute Notfallindikationen für eine sofortige Bildgebung und weitere Abklärung, zudem Kopfschmerzen, welche zusammen mit Erbrechen ohne sonstige Erklärung hierfür auftreten (Hintergedanke ist auch hier Hirndruck als mögliches Symptom). Dazu kommen noch Kopfschmerzen, die mit klinischen Zeichen eines Glaukomanfalls einhergehen.

Immer noch dringlich – und innerhalb von 24 Stunden abklärungsbedürftig – sind der Literatur nach Kopfschmerzen, die auf eine Riesenzellarteriitis hindeuten, Kopfschmerzen die nach einer atypischen oder länger anhaltenden Migräneaura aufgetreten sind oder Kopfschmerzen bei immunsupprimierten oder tumorkranken Patienten.

Yellow Flags

Hiermit sind Warnzeichen für einen sekundären Kopfschmerz gemeint, aus denen nicht die Notwendigkeit einer unmittelbaren Bildgebung, bzw. einer innerhalb von 24 Stunden, aber eine zeitnahe, resultiert. Je nach Definition und verwendeter Quelle werden hier mitunter auch die Kopfschmerzentitäten des letzten Absatzes hinzugezählt (Hinweise für Riesenzellarteriitis, Kopfschmerzen nach atypischer Migräne usw.). Darüber hinaus gelten als yellow flags anhaltende Kopfschmerzen nach eigentlich unkompliziertem und leichtgradigen Schädel-Hirn-Trauma, lageabhängige Kopfschmerzen, belastungsabhängige Kopfschmerzen (nach Husten/Valsalva, Sex, Sport), therapierefraktäre Kopfschmerzen, chronische Kopfschmerzen (> 3 Monate), Medikamentenübergebrauchskopfschmerzen, Kopfschmerzen in Zusammenhang mit Augenerkrankungen, Zahn-/Kiefergelenkerkrankungen, Nasennebenhöhlenerkrankungen (?!, das würde im Winter in Hamburg zu sehr vielen MRT führen …) und Wirbelsäulenerkrankungen, Kopfschmerzen in Verbindung mit Hirnnervenausfällen, bzw. bei einer Trigeminusneuralgie und Kopfschmerzen im Rahmen metabolischer Veränderungen (nach Hypoxie, bei Blutdruckentgleisungen, …). Dazu kommt noch eine generelle Faustformel, dass bei über 50-jährigen und unter 5-jährigen Patienten mit erstmaligen Kopfschmerzen eine Bildgebung erfolgen sollte, einfach weil die Erstmanifestation einer primären Kopfschmerzerkrankung in dieser Altersgruppe unwahrscheinlich ist.

Risikostratifizierung

Wenn man den Hintergrund dieser Empfehlungen verstehen will, dann muss man sich ein wenig mit den Wahrscheinlichkeiten pathologischer Befunde befassen. Schon in den 1990er Jahren konnte gezeigt werden, dass bei Pat. mit typischer Migräne, welche den IHS-Kriterien entsprach, die Häufigkeit pathologischer Befunde mit 0,2% genauso hoch lag wie in einer Bevökerungsstichprobe ohne Kopfschmerzerkrankungen. Zudem waren auch die 0,2% auffälligen Befunde gar nicht mit der Kopfschmerzerkrankung assoziiert. Bei primären Kopfschmerzen die keine Migräne waren (also im wesentlichen Spannungskopfschmerzen) lag die Quote pathologischer Befunde in der Bildgebung bei 2,4%, auch hier in der Regel ohne fassbare Assoziation zur Kopfschmerzerkrankung. Anders war es bei Kopfschmerzen, die man nicht einer idiopathischen Kopfschmerzerkrankung zuordnen konnte. Hier fand sich bei unauffälligem neurologischen Befund dennoch in 14% ein pathologischer bildgebender Befund, bei auffälligem neurologischen Untersuchungsbefund war die Rate pathologischer bildgebender Befunde noch höher (was ja aber auch zu erwarten ist).

Am Ende hilft es also alles nichts, man muss die häufigsten primären Kopfschmerzerkrankungen kennen und wenn die Kopfschmerzen einer dieser Entitäten entsprechend und der neurologische Befund unauffällig ist, dann bräuchte es (eigentlich) keine Bildgebung.

Die wichtigsten primären Kopfschmerzerkrankungen

Prinzipiell sehr hilfreich bei der Klassifikation von Kopfschmerzen (insbesondere wenn man das nicht so häufig macht) ist die Webseite der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (Link). Hier findet man wirklich alle Kopfschmerzarten sehr systematisch (und formalistisch) auf- und abgearbeitet.

Migräne

Die Migräne ist (wenn man bei der Anamnese genau hinhört) doch häufiger als Spannungskopfschmerzen und in der Gesamtbevölkerung damit unterdiagnostiziert. Dies mag die merkwürdige Beobachtung, dass die Migräneprävalenz bei Neurologen und besonders bei Kopfschmerzspezialisten bis drei Mal höher als in der Allgemeinbevölkerung liegt (dort nämlich bei 16,8% in Deutschland) erklären, einfach weil sie öfters korrekt diagnostiziert wird (vgl. Diener und Evans). Das war bei mir übrigens genauso, ich habe auch erst ganz am Ende des Studiums festgestellt (bzw. wurde mit der Nase drauf gestoßen), dass meine vermeintlichen Spannungskopfschmerzen wohl eine Migräne sind.

Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft sagt zur Migräne ohne Aura folgendes (Link):

A. Mindestens fünf Attacken, welche die Kriterien B bis D erfüllen (die 5 Attacken werden aus formalen Gründen für eine auch für Studien ausreichend hohe diagnostische Sicherheit gefordert, im klinischen Alltag kann man durchaus früher die Diagnose stellen)

B. Kopfschmerzattacken, die (unbehandelt oder erfolglos behandelt) 4 bis 72 Stunden anhalten

C. Der Kopfschmerz weist mindestens zwei der folgenden vier Charakteristika auf:

  1. einseitige Lokalisation
  2. pulsierender Charakter
  3. Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten (z.B. Treppensteigen)

D. Während des Kopfschmerzes besteht mindestens eines:

  1. Übelkeit und/oder Erbrechen
  2. Photophobie und Phonophobie

E. Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose. (das steht immer unter jeder Kopfschmerzklassifikation)

Für die Migräne mit Aura gilt folgendes (Link):

A. Mindestens zwei Attacken, die das Kriterium B und C erfüllen

B. Ein oder mehrere der folgenden vollständig reversiblen Symptome

  1. visuell
  2. sensorisch
  3. Sprechen und/oder Sprache
  4. motorisch
  5. Hirnstamm
  6. retinal

C. Mindestens drei der folgenden sechs Merkmale sind erfüllt:

  1. wenigstens ein Aurasymptom entwickelt sich allmählich über ≥5 Minuten hinweg
  2. zwei oder mehr Aurasymptome treten nacheinander auf
  3. jedes Aurasymptom hält 5 bis 60 Minuten an
  4. mindestens ein Aurasymptom ist einseitig
  5. mindestens ein Aurasymptom ist positiv
  6. die Aura wird von Kopfschmerz begleitet, oder dieser folgt ihr innerhalb von 60 Minuten

D. Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose.

Anmerkung:

  • Treten während einer Aura zum Beispiel drei Symptome auf, so beträgt die maximal akzeptable Dauer 3 x 60 Minuten. Motorische Symptome können bis zu 72 Stunden anhalten.
  • Eine Aphasie gilt immer als einseitiges Symptom; bei einer Dysarthrie kann, aber muss es nicht so sein.
  • Flimmerwahrnehmungen sowie nadelstichartige Parästhesien sind Positivsymptome einer Aura.

Als typische Auren gelten: Vollständig reversible visuelle Symptome, Sensibilitätsstörungen und/oder Symptome rund um Sprechen/Sprache. Alle anderen Auren, insbesondere motorische Ausfälle oder Hirnstammsymptome sind per Definition eine atypische Aura. Zur Abgrenzung zwischen einer Migräneaura und vorübergehenden Schlaganfallsymptomen hatte ich vor einiger Zeit schon einmal einen extra Blog-Beitrag geschrieben: Kompliziertes was eigentlich ganz einfach ist: Migräneaura vs. TIA

Spannungskopfschmerzen

Spannungskopfschmerzen sind ja die unspektakuläre kleine Schwester der Migräne. Weil sie so unspektakulär sind fordert die Internationale Kopfschmerzgesellschaft auch mehr Attacken als bei der Migräne (und insbesondere der Migräne mit Aura) bevor man von Spannungskopfschmerzen mit hinreichender Sicherheit (für Studienzwecke, s.o.) ausgehen kann: Link. Zudem werden Spannungskopfschmerzen mittlerweile in seltene, häufige und chronische Kopfschmerzen unterteilt (anders als bei der Migräne). Selten sind sie, wenn sie an weniger als 12 Tagen im Jahr auftreten, häufig, wenn sie sich bis zu 14 Tagen im Monat manifestieren und alles darüber hinaus sind dann chronische Spannungskopfschmerzen. Die Klassifikation sieht wie folgt aus:

A. Mindestens 10 Kopfschmerzattacken, die die Kriterien B bis D erfüllen.

B. Die Kopfschmerzdauer liegt zwischen 30 Minuten und 7 Tagen.

C. Der Kopfschmerz weist mindestens zwei der folgenden Charakteristika auf:

  • Beidseitige Lokalisation 
  • Schmerzcharakter drückend oder beengend, nicht pulsierend
  • Leichte bis mittlere Schmerzintensität 
  • Keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivität wie Gehen oder Treppensteigen

D. Beide der folgenden Punkte sind erfüllt:

  • Fehlen von Übelkeit oder Erbrechen 
  • Es darf entweder eine Photophobie oder eine Phonophobie, nicht jedoch beides vorhanden sein

E. Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose.

Trigemino-autonome Kopfschmerzen

Zu den trigemino-autonomen Kopfschmerzen habe ich im Frühjahr 2021 einen ausführlichen Blogbeitrag geschrieben, den ich hier einfach mal verlinke: Tick, Trick und TAK: Trigemino-autonome Kopfschmerzen

Ein Zwischenfazit

Fassen wir also noch mal zusammen: Wenn wir hinreichend sicher sind, dass primäre Kopfschmerzen vorliegen (eben weil diese den gerade durchdeklinierten Definitionen entsprechen) und der neurologische Untersuchungsbefund normal ist, dann benötigen wir (in der Regel) keine Bildgebung. In allen anderen Fällen schon. Ich persönlich finde diese Herangehensweise auch eingängiger als die mit den red und yellow flags. Stellt sich nur noch die Frage, welche Bildgebung soll denn veranlasst werden, wenn denn eine notwendig ist:

CT oder MRT? Welche Bildgebung?

Hier kann man sich folgendes merken: Bei der akuten Hirnblutung ist die CT der MRT eigentlich überlegen, in allen anderen Fällen nicht. Das heißt bei den red flags, bei denen eine unmittelbare Bildgebung erforderlich erscheint (Donnerschlagkopfschmerzen, Kopfschmerzen mit epileptischen Anfällen, Vigilanzminderung oder akuter Fokalneurologie) wird man eine CCT veranlassen, in allen anderen Fällen eher eine MRT.

Bei den akuten Blutungen muss man zudem wissen, dass die CT in den ersten Stunden eine überragende Sensitivität zur Blutungsdetektion hat, insbesondere bei der Subarachnoidalblutung, dann aber rasch weniger sensitiv wird. Als Faustregel können diese Zahlenwerte dienen:

ZeitraumSensitivität CT
8 – 12 Stunden98 – 100 %
< 24 Stunden93 %
> 24 Stunden86 %
> 48 Stunden76 %
> 5 Tage58 %
> 7 Tage50 %

Dies ist der Grund, warum bei mehr als 24 Stunden zurückliegenden Donnerschlagkopfschmerzen in jedem Fall eine Liquorpunktion mit der Frage nach Blutabbauprodukten im Liquor empfohlen wird, wenn die CT nicht wegweisend bleibt. Insbesondere in den ersten 8-12 Stunden nach Donnerschlagkopfschmerz gibt es für eine Liquorpunktion keinen richtigen Grund, auch wenn in vielen (wenn nicht allen Krankenhäusern) die Liquorpunktion bei unauffälliger Computertomographie zum SAB-Ausschluss dazu gehört.

Wo man weiterlesen kann

Carmienke S, Holle-Lee D. Triage bei Kopfschmerz in der Hausarztpraxis: Wann einweisen? Dtsch med Wochenschr. 2019;144(10):651-658. doi:10.1055/a-0759-8052

Diener HC. Warum ist die Migräne bei Neurologen so häufig? InFo Neurologie. 2021;23(11):3-3. doi:10.1007/s15005-021-2144-9

May, A. et al.: S1-Leitlinie Diagnostik und apparative Zusatzuntersuchungen bei Kopfschmerzen, Link,Link pdf, seit 2017 abgelaufen, nicht mehr aktualisiert

Weitere Literatur

Becker WJ, Scott NA, Mhsa CH, RPsych PT. Guideline for primary care management of headache in adults.

Evans RW, Lipton RB, Silberstein SD. The prevalence of migraine in neurologists. Neurology. 2003;61(9):1271-1272. doi:10.1212/01.WNL.0000090628.46508.D4

Evers S, Frese A, Marziniak M. Differenzialdiagnose von Kopfschmerzen. Deutsches Ärzteblatt. Published online 2006.

Moulin T, Berger, E, et al.: Emergency neurology consultations in the university hospital setting: contribution of the neurologist to inpatient management. Rev Neurol (Paris). 2000 Oct;156(10):839-47.

CT-Perfusion: Über- oder unterschätzt?

So, nach langer Zeit mal wieder was neues. Das wird jetzt ein längerer Beitrag, aber einer über den ich schon länger nachdenke und den ich unbedingt schreiben wollte. Und auch einer, bei dem ich mehr Literaturstellen brauche und die ich deswegen anders als sonst direkt in den Text einbauen werde. Es soll also um die CT-Perfusion gehen, die ja in der Schlaganfall-Bildgebung in den letzten Jahren in so gut wie alle CT-Protokolle für eine multimodale CT-Bildgebung Einzug gehalten hat. Dass das so ist und dass der “Siegeszug“ der CT-Perfusion mehr so in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre so richtig stattgefunden hat, liegt ganz überwiegend an den technischen Mindestvorraussetzungen, die es für eine einigermaßen attraktive CT-Perfusionsbildgebung braucht. Und das sind in erster Linie die Detektor-Zeilen des CTs.

CT-Perfusion: Was der Radiologe (und sein Computer) so machen

Penumbra und Mismatch

Grundidee der CT-Perfusion ist es, mit dem Einsatz von (viel) Röntgen-Kontrastmittel das Modell des Diffusions-Perfusions-Mismatches aus der MRT-Diagnostik nachzubilden, was ja wiederum ein Versuch einer Nachbildung des Penumbra-Modells aus dem Tierexperiment ist. Zusammengefasst geht es dabei ja darum, dass bei einem ischämischen Schlaganfall der Infarktkern (der direkt durch den Gefäßverschluss entsteht) anfangs meist relativ klein ist und es um diesen Infarkten – der unrettbar verloren ist – minderdurchblutetes, von Kollateralgefäßen mit Ach und Krach versorgtes Risikogewebe gibt, welches man durch eine Intervention (Thrombolyse oder Thrombektomie oder beides) retten könnte. Dies bezieht sich im Tiermodell – und damit auch in all seinen Bildgebungs-Analogien – auf Territorialinfarkte, bei denen ein Hauptgefäß verschlossen ist und es ein relativ großes prinzipiell rettbares Areal mit Risikogewebe gibt und nicht auf peripher-embolische Infarkte und schon gar nicht auf mikroangiopathische Infarkte, die ja anders zu funktionieren scheinen. Dies muss man im Hinterkopf behalten, wenn man sich nachher mit Vor- und Nachteilen des Verfahrens auseinander setzen will.

Kontrastmittel in die Vene rein, und dann …

Typischerweise werden 40 ml Röntgen-Kontrastmittel mit relativ hoher Infusionsgeschwindigkeit (5 ml/s) infundiert. Dann wird durch repetitive CT-Messungen das An- und Abfluten des Kontrastmittels im Kopf gemessen, was über den Anstieg der Hounsfield Unit-Werte ja sogar quantifiziert werden kann. Dies macht man in den Arterien, den Venen und im Parenchym. Es entstehen bei den üblichen Protokollen ca. 30 CT-Aufnahmen hintereinander, welche alle 2 Sekunden angefertigt werden, so dass eine CT-Perfusionsmessung in der Regel ziemlich genau eine Minute dauert. Es gibt allerdings auch andere Protokolle und bei einer schlechten Pumpfunktion des Herzens ist das (so zeigt es auch die klinische Erfahrung) auch gar nicht so selten zu kurz. 30 CT-Aufnahmen hintereinander verursachen eine nicht unerhebliche Strahlenbelastung, auch wenn die Dosis pro CT-Messung schon reduziert wird (was man auch an der Bildqualität der CT-Perfusionsmessungs-Bilder sehen kann). Es entstehen dann zwei Messparameter (und das sind auch die entscheidenden, die anderen beiden kann man für die meisten Fälle erst einmal in den Skat drücken). Das sind die mittlere Transitzeit oder mean transit time oder MTT und das ist das zerebrale Blutvolumen oder cerebral blood volume oder CBV. Die MTT beschreibt die Zeit, die das Kontrastmittel zum An- und Abfluten im Hirngewebe braucht und ist am Ende eine Korrelation aus der Messkurve aus der Arterie und des Hirngewebe selber. Die CBV ist so ein schöner area under the curve-Messwert und vergleicht KM-Aufnahme im Hirnparenchym (unter der Kurve des An- und Abflutens) mit dem An- und Abfluten in den Venen (und hier auch als Fläche unter der Kurve). Die Idee ist dann, dass die CBV angibt, wo überhaupt noch Kontrastmittel hinkommt (eben nicht in den Infarktkern) und die MTT, wo das Kontrastmittel langsamer an- und abflutet, nämlich im Risikogewebe. Dazu kommt, dass im Risikogewebe durch die Weitstellung aller Kollateralgefäße das CBV meistens normal bis erhöht ist. Die beiden anderen – eher nicht so entscheidenden – Parameter sind dann noch die Halbwertszeit oder time to peak oder TTP, was einfach die halbe MTT bis zum Scheitelpunkt ist und der zerebrale Blutfluss oder CBF, was der Quotient aus CBV und MTT ist. Dies bedeutet, dass man – nach der Idee hinter der CT-Perfusionsbildgebung – dann in der CBV den Infarktkern und in der MTT die Penumbra sehen würde und kleiner Infarktkern und große Penumbra dann unsere Mismatch-Analogie darstellen würde.

Für den anspruchsvollen Connaisseur sei noch erwähnt, dass die TTP in erster Linie im CT-Protokoll auftaucht, weil sie in der MRT-Perfusionsbildgebung relativ viel benutzt wird und dass das ganze (die MRT-Perfusion noch mehr, das werden die Freunde der CT-Perfusion auch nicht müde zu betonen), daran krankt, dass es keine allgemein akzeptierten und standardisierten Messwert-Grenzen gibt, da das Ergebnis der Perfusionsbilder relativ stark vom Gerät, seinen Einstellungen, der Software, dem Hersteller, dem Patienten und seiner kardinalen Pumpfunktion usw. abhängt. Das führt dann oft zu solchen Aussagen wie: “Aber hinten links ist es doch irgendwie ein bisschen blauer in der MTT“. Ganz grob konnte man sich darauf einigen, dass eine MTT von 4-6 Sekunden normal ist und dass eine Verdoppelung der MTT (und/oder der TTP) für eine signifikant schlechtere Perfusion spricht. Für den CBF gibt es sogar eine Dreiteilung: > 50 ml/100 g Hirngewebe ist normal, bei < 20 ml/100 g Hirngewebe liegt eine ischämische Situation vor und unter 10 ml/100 g Hirngewebe eine strukturelle Infarzierung. Beim CBV muss man wissen, dass im Kortex typischerweise mehr Blut ist als im Marklager (was auch irgendwie nicht verwundert), da geht man physiologischerweise von 5-6 ml/100 g Hirngewebe im Kortex und von 2-3 ml/100 g Hirngewebe im Marklager aus. Bei einem kortikalen CBV von weniger als 2 ml kann man einen Infarktkern annehmen. In der hinteren Strombahn, in der ja langsamere Flussgeschwindigkeiten vorherrschen, sind vor allem die MTT- und TTP-Werte deutlich länger.

Die oben erwähnten technischen Limitationen der CT-Perfusionsbildgebung, liegen daran, dass man mit einem alten 16-Zeilen-CT nur 2 Schichten Perfusionsbildgebung erzeugen konnte, was bei einer Schichtdicke von 1 cm dann 2 cm Hirngewebe entspricht und dass 16-Zeiler aber bis 2010 noch die überwiegende Anzahl der CT-Geräte ausgemacht haben. Man kann dann den CT-Tisch noch ruckartig hin- und herfahren und damit doppelt so viel Schichten auf Kosten von Bildqualität, bzw. für mehr Röntgenstrahlung generieren, aber das sind dann auch nur 4 cm. 16 cm braucht man aber, um ein ganzes Großhirn so einigermaßen scannen zu können und daher ist eine suffiziente CT-Perfusionsbildgebung, bei der man nicht vorher das Zielgebiet möglichst genau “raten“ (oder wissen) muss, erst mit dem Einzug der 128- und 256-Zeilen-CT-Geräte möglich geworden.

Wo man weiterlesen kann

Eckert, B., Röther, J., Fiehler, J. & Thomalla, G. Stellenwert der CT-Perfusion für die Therapie des Schlaganfalls. Aktuelle Neurol. 42, 16–26 (2015).

Was kann man von der CT-Perfusion erwarten und was nicht? … bei ischämischen Schlaganfällen …

Das wurde jetzt schon erwähnt, dass hängt extrem von dem Schlaganfall, den wir suchen, ab. Und man muss extrem aufpassen, in der Literatur geht es hier wild durcheinander, auch was den Vorteil der CT-Perfusion gegenüber einer nativ-CT-Bildgebung betrifft oder die (m.E. fragliche) Ebenbürtigkeit gegenüber einer MRT-Bildgebung.

Exkurs: Infarktfrühzeichen im nativ CT

Das Problem an der Detektion von Infarktfrühzeichen in der nativen CT-Bildgebung ist, dass diese extrem von der Erfahrung des Untersuchers und den jeweiligen Fenstereinstellung abhängt. Einen komplett demarkierten Territorialinfarkt können wir alle erkennen, aber darum geht es ja bei Thrombolyse- und Thrombektomieentscheidungen gar nicht. Je mehr interstitielles Ödem entsteht und je mehr Apoptose, desto deutlicher ist die Infarktdemarkation. Wenn das ein Radiologe “einfach irgendwie“ macht, halt nach bestem Wissen und Gewissen, dann kommt man ungefähr auf eine Detektionssensitivität von gut 2/3. Standardisiert man die Suche nach Infarktfrühzeichen und hier hat sich der ASPECT-Score (Link) durchgesetzt, kann man die Detektionsrate für Frühzeichen territorialer Ischämien auf 75% erhöhen.

Wo man weiterlesen kann

Pexman, J. H. et al. Use of the Alberta Stroke Program Early CT Score (ASPECTS) for assessing CT scans in patients with acute stroke. AJNR. Am. J. Neuroradiol. 22, 1534–42 (2001).

Territorialinfarkte

Also, unter optimistischen Studienbedingungen kommt bei territorialen Ischämien mit der CT-Perfusionsbildgebung auf eine Detektionsrate von 86% (das wäre die Sensitivität) bei einer Spezifität von 93%. Das ist auf jeden Fall noch mal mehr als die Detektionsrate per nativ CT, auch wenn man den ASPECT-Score verwendet. Die Sensitivität für Territorialinfarkte in der CT-Perfusion ist aber extrem von der Scanstrecke abhängig, also der Frage, wieviel Hirnparenchym denn abgebildet wurde. Schließt man die mikroangiopathischen Infarkte aus, kann man auf Sensitivitätswerte von gut 90% kommen. Andersherum gibt es Studien, wonach – wenn man das MRT als Schiedsrichter verwendet – ca. 25% der im MRT Schlaganfall positiven Patienten eine unauffällige CT-Perfusion haben. Auch das sind dann – wenn man genauer hinschaut – überwiegend mikroangiopathische Infarkte und Infarkte im hinteren Stromgebiet, aber eben auch kleinere Territorialinfarkte.

CT-Perfusionsmessung bei einem Media-Hauptstammverschluss rechts. Links im Bild die automatisierte Auswertung der Software. Rechts finden sich die vier Perfusions-Maps. Oben links das CBV, daneben der CBF, unten links die MTT und unten rechts die TTP. Man kann relativ gut die unauffällige CBV-Map und die deutliche MTT-Verlängerung erkennen.
Zweite Schicht der CT-Perfusion bei dem Media-Hauptstammvertschluss rechts.

Was etwas schlechter geht: Peripher-embolische Infarkte

Peripher-embolische Infarkte, können, müssen sich aber nicht in der CT-Perfusion abbilden. Je weiter proximal der Gefäßverschluss ist (zum Beispiel in einem M2-Segment), desto höher ist die Detektionswahrscheinlichkeit. Handelt es sich “nur“ um kleine kortikale Ischämien bilden sich diese in der Regel nur schlecht in den Perfusions-Maps ab.

Was so gut wie gar nicht funktioniert: Extrakranielle hochgradige Stenosen und Verschlüsse

Diese führen nämlich zu MTT (und TTP)-Verlängerungen über der gesamten betroffenen Hemisphäre bei schlechter Kollateralisierung, können aber auch bei guter Kollateralisierung ohne signifikante Perfusionsstörungen verbleiben.

Was so gut wie gar nicht funktioniert: Infarkte im hinteren Stromgebiet

Das liegt zum Einen an den langsameren Flussgeschwindigkeiten in der hinteren Strombahn, in erster Linie aber daran, dass die Infarkte in der Regel klein sind und dementsprechend kein relevantes Perfusionsdefizit erzeugen. Etwas anders ist es bei Basilaristhrombosen und -verschlüssen. Hier können häufig ausgedehnte Kleinhirn- und Posterior-Perfusionsdefizite zeigen. Der prognostische Wert dieser Perfusionsstörungen ist unklar, ebenso die therapeutische Konsequenz, die sich ja sowieso eher aus der CT-Angiographie ergibt.

CT-Perfusionsmessung bei einem A. basilaris-Verschluss. Oben links die CBV-Map, oben rechts der CBF, unten links die MTT, unten rechts die HWZ. Man sieht eine kleine MTT-Verlängerung rechts im hinten Stromgebiet.
MRT-Dissusions-Wichtung links und FLAIR rechts bei dem selben Basilaris-Verschluss wie oben. Ähnliche Schnittebene, wie bei der CT-Perfusion (im MRT ist die Kippung etwa anders). Man sieht unschwer die deutlich größere Ausdehnung des Infarktareals, als es in der CT-Perfusion zu erahnen schien.
Wo man weiterlesen kann

Eckert, B. et al. Clinical outcome and imaging follow-up in acute stroke patients with normal perfusion CT and normal CT angiography. Neuroradiology 53, 79–88 (2011).

The real mismatch: CBV vs MTT oder ASPECTS vs MTT und braucht man für eine Thrombektomie eine CT-Perfusion?

Immer wieder hört man folgende Aussage (in leicht verschiedenen Versionen): Bevor man eine Thrombektomie veranlassen kann, braucht man in jedem Fall eine multimodale CT-Bildgebung, „da das in den Zulassungsstudien auch so gemacht wurde“. Und dann gibt es noch verschiedene Wahrheiten zu hören, was denn dann in der Bildgebung „das echte Mismatch“ sei, der Vergleich von MTT (für die Penumbra) mit dem CBV (für die Abschätzung des Infarktkerns) oder die MTT im Vergleich zum nativ-CT mit Quantifizierung der Infarktfrühzeichen per ASPECT-Score. Die Antwort ist (natürlich): Alles stimmt irgendwie und irgendwie auch nicht. Es gab 5 große Studien zur mechanischen Thrombektomie mit dem Stent-Retriever-System, welche 2015 die Überlegenheit dieses Verfahren zeigen konnten und welche die Grundlage für die Zulassung der mechanischen Thrombektomie als Standard-Behandlungsverfahren waren: MR CLEAN (eins der lustigsten Studien-Akronyme aller Zeiten), ESCAPE, EXTEND-IA, SWIFT PRIME und REVASCAT. Gemeinsam war all diesen Studien, dass eine nativ-CT und eine CT-Angiographie gemacht wurde, mit der ein potentiell behandelbarer proximaler Gefäßverschluss identifiziert wurde. Dann gab es in SWIFT PRIME und REVASCAT auch die Option zur primären MRT-Bildgebung. Bis dahin kommt die CT-Perfusion gar nicht vor. Diese wurde in einigen Studien zur Abschätzung der Infarktkern-Größe benutzt und zwar teilweise ebenbürtig zur MRT-Bildgebung, teilweise nur per CT-Perfusion, teilweise mit automatisierter Softwareauswertung und teilweise herkömmlich, so wie oben beschrieben mit MTT und CBV und teilweise eben auch mit Hinzuziehen des ASPECT-Scores. Also großes Kuddelmuddel, was etwas weniger kuddelmuddeliger wird, wenn man das tabellarisch aufarbeitet:

StudiePatientenanz.BildgebungInfarktgrößeZusatzkriterien
MR CLEAN500nativ CT, CT-Angiographiekeine Beschränkung
ESCAPE316nativ CT, CT-Angiographie, CT-PerfusionASPECTS >5CT-Perfusion: Gute Kollateralversorgung
EXTEND-IA70nativ CT, CT-Angiographie, CT-PerfusionInfarktkern in CT-Perfusion < 70 mlCT-Perfusion: Mismatch Ratio > 1,2, Mismatch > 10 ml
SWIFT PRIME196nativ CT, CT-Angiographie, CT-Perfusion, MRTASPECTS >5 (auch per MRT)Optional Mismatch in CT-Perfusion
REVASCAT206nativ CT, CT-Angiographie, MRTASPECTS >6 (per MRT ASPECTS >5)
Bildgebung in den 5 Thrombektomie-Therapiestudien.
Nach: Fiehler, J. & Thomalla, G. Bildgebungsbasierte Indikationsstellung für die interventionelle Schlaganfallbehandlung. Nervenarzt 86, 1200 und Kaiser, D., Gerber, J. & Puetz, V. Die Rolle der zerebralen Bildgebung für die Therapieentscheidung zur Thrombektomie. Aktuelle Neurol. 44.

Was man sich vielleicht merken kann:

  1. Eine CT-Angiographie (um die es hier ja gar nicht geht), ist sicherlich eine gute Idee bei einem Patienten, bei dem es um eine Thrombektomie geht.
  2. Mit der CT-Perfusion kann man bei Hauptstammverschlüssen schon die Größe des Infarktkerns und der Penumbra abschätzen.
  3. Auch wenn man eine multimodale CT-Bildgebung macht, gibt der ASPECT-Score eine relativ zuverlässige Prognose über das Outcome. Bei einem ASPECTS von weniger als 5-6 ist kein großer Therapieeffekt durch die Thrombektomie zu erwarten.
Wo man weiterlesen kann

Fiehler, J. & Thomalla, G. Bildgebungsbasierte Indikationsstellung für die interventionelle Schlaganfallbehandlung. Nervenarzt 86, 1200–1208 (2015).

Kaiser, D., Gerber, J. & Puetz, V. Die Rolle der zerebralen Bildgebung für die Therapieentscheidung zur Thrombektomie. Aktuelle Neurol. 44, 99–108 (2017).

Campbell, B. C. V et al. Penumbral imaging and functional outcome in patients with anterior circulation ischaemic stroke treated with endovascular thrombectomy versus medical therapy: a meta-analysis of individual patient-level data. Lancet Neurol. 18, 46–55 (2019).

Jenseits von 6 Stunden

Etwas einfacher wird es, wenn man das erweiterte Zeitfenster betrachtet, also eine Thrombolyse oder eine mechanische Thrombektomie jenseits von 6 Stunden nach Schlaganfallereignis. Hier gab es die EXTEND-Studie (das ist nicht die selbe wie EXTEND-IA, da ging es um Thrombektomie), in der die Thrombolyse bis zu 9 Stunden nach Schlaganfallereignis untersucht wurde und in der für mittels automatisierter Auswertung von CT- oder MRT-Perfusionsmessungen selektierter Patienten ein klinischen Benefit für eine Thrombolyse bei einem relevanten Mismatch gezeigt werden konnte.

In der DEFUSE 3-Studie, die ein Zeitfenster für die Thrombektomie von bis zu 16 Stunden untersucht hat und in der DAWN-Studie, bei der sogar Patienten eingeschlossen wurden, bei der der Schlaganfall bis zu 24 Stunden bestand, konnte eine Überlegenheit der Thrombektomie bei Patientenauswahl mittels Perfusionsbildgebung nachgewiesen werden.

Wo man weiterlesen kann

Albers, G. W. et al. Thrombectomy for Stroke at 6 to 16 Hours with Selection by Perfusion Imaging. N. Engl. J. Med. 378, 708–718 (2018).

Nogueira, R. G. et al. Thrombectomy 6 to 24 Hours after Stroke with a Mismatch between Deficit and Infarct. N. Engl. J. Med. 378, 11–21 (2018).

Ma, H. et al. Thrombolysis Guided by Perfusion Imaging up to 9 Hours after Onset of Stroke. N. Engl. J. Med. 380, 1795–1803 (2019).

Tsivgoulis, G. et al. Thrombolysis for acute ischemic stroke in the unwitnessed or extended therapeutic time window. Neurology 94, e1241–e1248 (2020).

Schlaganfall im Zeitfenster = multimodales CT?

Kann man irgendwie abgrenzen, bei welchen Beschwerden sich eine multimodale CT-Bildgebung „lohnt“ und wo nicht? Es gibt eine kleinere Hamburger Studie mit gut 100 Probanden aus 2007/2008 aus Altona und dem UKE. Dort wurden systematisch die CT-Perfusionsmessungen ausgewertet. Hier war es so, dass bei einem NIHSS kleiner gleich 4 in der Regel kein akut notfallmäßig behandlungsbedürftiger CT-Gefäßbefund erhoben werden konnte. Die Hauptstammverschlüsse im vorderen Stromgebiet hatten NIHSS-Werte größer gleich 14, distale Gefäßverschlüsse in der Regel einen Aufnahme NIHSS von mehr als 7. Dies gilt natürlich – wie fast alles bei der CT-Perfusion – nur für das vordere Stromgebiet. Insofern kann man schon argumentieren, dass es wenig Gründe gibt bei niedrigen NIHSS-Werten eine multimodale CT-Bildgebung durchzuführen und so wird es ja auch in einigen Kliniken gemacht.

Wo man weiterlesen kann

Eckert, B. et al. Clinical outcome and imaging follow-up in acute stroke patients with normal perfusion CT and normal CT angiography. Neuroradiology 53, 79–88 (2011).

Was kann man von der CT-Perfusion erwarten und was nicht? … bei epileptischen Anfällen …

Die epileptische kortikale Hyperperfusion, welche man in der CT-Perfusion sehen könnte und damit vielleicht sogar epileptische Anfälle von ischämischen Schlaganfällen differenzieren könnte, spukt ja durch viele Neurologen-Köpfe und auch die ein oder andere Röntgen-Besprechung. Angefeuert wird dies sicher durch so optimistische Artikel, wie den unten aufgeführten. Und ja, es sind durchaus eine relevante Anzahl von Einzelfallberichten erschienen, in der epileptische Anfälle per CT-Angiographie diagnostiziert wurden, insbesondere nonkonvulsive Status. Der Charme ist und wäre natürlich, dass man eine CT-Perfusionsmessung auch nachts oder am Wochenende durchführen kann, ein EEG in der Regel aber in diesen Zeiten nicht abgeleitet bekommt. Meines Wissens gibt es aber jenseits der Einzelfallberichte keine relevanten Studien zu dieser Frage. Antwort ist demnach: Ja, kann mal funktionieren, muss wohl aber nicht.

Wo man weiterlesen kann

Schmalbach, B., Rohr, A., Jansen, O., Deuschl, G. & Lang, N. CT-Perfusion: ein geeignetes Notfallinstrument zur Diagnostik des nonkonvulsiven Status epilepticus? Aktuelle Neurol. 37, 183–187 (2010).

Was kann man von der CT-Perfusion erwarten und was nicht? … beim Hyperperfusionssyndrom nach Carotis-TEA…

Da kann man wohl auch eine Hyperperfusion sehen, was dann wiederum die Geschichte mit der Epilepsie noch etwas weniger valide macht, weil man natürlich ohne EEG-Korrelation nicht weiß, ob die Hyperperfusion jetzt da ist, weil der Patient einen epileptischen Anfall oder einen gerade spontan wiedereröffneten Gefäßverschluss hat. Stichwort postischämische Luxusperfusion 😉

Und sonst?

Tumoren können teilweise eine MTT- und CBV-Verkürzung aufweisen (wäre dann auch so eine Hyperperfusion demnach), bei Migräne mit Aura soll man in Einzelfällen auf der betroffenen Hemisphäre eine minimale MTT-Verlängerung sehen können. Ist aber sicherlich alles weit weg von jeder Evidenz.