Not the hottest shit: Die chronische idiopathische axonale Polyneuropathie (CIAP)

Vorneweg:

Ich mach ja gerne so Mini-Serien, bzw. Kategorien auf, unter denen man verschiedene Themen versammeln kann. Und ich dachte mir, man könnte doch gut was zu den grauen Mäusen der Neurologie machen, häufigen, aber irgendwie blassen Themen, die irgendwie immer übergangen werden. Da kann man dann was zu zerebraler Mikroangiopathie, Spannungskopfschmerzen und eben auch zur ganz normalen axonalen Polyneuropathie, für die man keine spezifische Ursache findet, schreiben. Und darum soll es heute gehen.

Kurze Einordnung der Polyneuropathien

Einteilen und einordnen kann man Polyneuropathien nach verschiedenen Kriterien, die sich zum großen Teil auch ergänzen. Sehr gängig ist die elektrophysiologische Einteilung in axonale und demyelinisierende Polyneuropathien. Gängig ist auch die Einteilung nach der klinischen Verteilung: Also distal-symmetrische oder längenabhängige Polyneuropathien, für Polyneuropathien mit deutlicher Beinbetonung. Und dann kann man Polyneuropathien noch histopathologisch, nach den betroffenen Nervenfaser-Typen unterteilen. Also in Polyneuropathien, bei denen kleine, dünn bemarkte oder nicht bemarkte sensible Nervenfasern in erster Linie betroffen sind, die small fibre Neuropathien und Polyneuropathien, bei denen die großen, bemarkten, motorischen Nervenfasern betroffen sind. Zu letzteren gehört zum Beispiel in den meisten Fällen die critical illness Polyneuropathie, um die es letztens ging.

Epidemiologie der chronischen idiopathischen axonalen Polyneuropathie

Bei der chronischen idiopathischen axonalen Polyneuropathie – die häufig mit CIAP abgekürzt wird, was teilweise verwirrend ist, da AIDP für akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie steht und damit das Guillain-Barré-Syndrom und seine Spielarten meint und die chronische Form dann aber die CIDP (chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie) ist, was wiederum Ähnlichkeit mit CIAP hat – handelt es sich um eine altersabhängige Krankheit, bei der Männer deutlich häufiger als Frauen betroffen sind (Verhältnis ist 3:2), das mittlere Erkrankungsalter liegt bei gut 60 Jahren. Während ungefähr 6,6% aller über 60-jährigen US-Amerikaner von einer Polyneuropathie betroffen sind, macht die CIAP davon gut ein Viertel aller Fälle aus. Das wiederum führte in einer niederländischen Studie zu einer Inzidenz von 31,6/100.000 Personenjahre, diese aber mit einer deutlichen Altersabhängigkeit. So konnte bei nur 14% aller unter 49-Jährigen mit einer Polyneuropathie die Diagnose einer idiopathischen Polyneuropathie gestellt werden, gegenüber 33% aller über 80-Jährigen von einer Polyneuropathie Betroffenen. Insgesamt nimmt die angenommene Häufigkeit der CIAP aber in den letzen Jahren deutlich ab, was viel mit dem nächsten Punkt zu tun hat.

Die Schwierigkeit mit dem Begriff idiopathisch

Mit einer idiopathischen Erkrankung sind ja zwei Dinge gemeint: Einmal eine Erkrankung bei der wir die spezifische Ursache nicht kennen, weil sie noch nicht erforscht ist und einmal eine Krankheit, die einfach so, eben ohne spezifische Ursache, auftaucht. In den letzten Jahren wurden jedoch die Diagnosekriterien des Diabetes mellitus verschärft und parallel konnte man zeigen, dass auch eine pathologische Glukosetoleranz im oralen Glukosetoleranz-Test mit einem erhöhten Polyneuropathie-Risiko vergesellschaftet ist. Und das führt dazu, das ein relevanter Anteil ehemals als idiopathisch eingeschätzter Polyneuropathien nun als diabetisch bedingt gilt.

Pathogenese der CIAP

Wie CIAP entstehen ist am Ende bis heute unklar. Auch, ob es einen – oder was wahrscheinlicher ist – mehrere pathogenetische Mechanismen gibt. Verschiedene Dinge wurden in den letzten Jahren angeschuldigt, eine CIAP mit verursachen zu können, u.a. die Einnahme von Statinen, eine COPD, mehrere Genkonstellationen oder bestimmte Diäten (mit angenommener Fehlernährung), ohne dass eine sichere Assoziation mit der Entwicklung einer CIAP gezeigt werden konnte.

Etwas komplexer ist es mit dem metabolischen Syndrom. Hier gibt es eine Assoziation des metabolischen Syndroms mit der Entwicklung einer Polyneuropathie, aber insgesamt wohl eher mit einer diabetischen als mit einer idiopathischen (was auch irgendwie logisch erscheint). Eher wird ein Schuh draus, wenn man sich anschaut, dass eine arterielle Hypertonie offenbar ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer CIAP ist und dass vaskuläre Demenzen häufiger mit einer CIAP einhergehen (und wir ja alle wissen, dass Bluthochdruck mit der stärkste Risikofaktor für die Entstehung von Schlaganfällen ist). Eine arterielle Hypertonie scheint also einen Einfluss auf die Vasa vasorum der Nerven zu haben mit einem höheren Risiko einer Fehlfunktion dieser. Auch für die Hypertriglyceridämie konnte ein derartiger Zusammenhang gezeigt werden, nicht aber für die Hypercholesterinämie.

Zusätzlich gibt es Arbeiten mit sehr kleinen Patientenfallzahlen (20-30), in denen gezeigt wurde, dass oxidativer Stress, neurotoxische Stoffwechselmetabolite und eine vermehrte Autophagie eine pathogenetische Rolle bei der Entwicklung einer CIAP zu spielen scheinen.

Klinik und Diagnostik der CIAP

Ja okay, ähnliches Problem wie bei der critical illness-Polyneuropathie. Die CIAP macht Beschwerden einer distal-symmetrischen Polyneuropathie. Sind vor allem die großen Fasern betroffen (was häufig der Fall ist), kommt es in der Regel zu einer langsam progredienten Gangstörung. Der CIAP eilt der Ruf voraus relativ gutartig zu verlaufen. Allerdings kommt es bei knapp 40% aller Patienten innerhalb von 3-5 Jahren zu einer derartigen Gangverschlechterung, dass die Patienten auf Hilfsmittel angewiesen sind. Das Risiko von Stürzen mit relevanten Folgen wie Frakturen ist bei Patienten mit einer CIAP um den Faktor zwei höher als bei einer gleichaltrigen gesunden Kontrollgruppe. Es gibt einen signifikanten Einfluss auf die Lebensqualität und die Selbstständigkeit in den ADL.

Sind auch kleine Nervenfasern betroffen, kommt es bei einem relevanten Anteil der Patienten zu neuropathischen Schmerzsyndromen v.a. der Füße und Unterschenkel und zu einer erhöhten Rate von Ulzerationen.

Diagnostisch handelt es sich um eine axonale, distal-symmetrische Polyneuropathie, für die sich keine andere plausible Ursache findet. Zur üblichen Ausschlussdiagnostik bei axonalen Polyneuropathien gehört die Untersuchung auf einen Diabetes mellitus oder andere Endokrinopathien, einen Vitamin B1- oder B12-Mangel, eine Zöliakie, ein Leber- oder Nierenversagen, eine paraneoplastische Genese und eine ausführliche Giftstoff- und Medikamentenanamnese.

In den seltenen Fällen, bei denen Patienten mit einer CIAP eine Nervenbiopsie entnommen wurde, verblieben diese wenig erhellend. Neben einer Intimahyperplasie in den Vasa vasorum, teilweise auch mit einem perivaskulären T-Zell-Infiltrat und einer vermehrten Zellzahl im Endoneurium konnten keine systematischen Auffälligkeiten gefunden werden.

Was kann man tun?

Medikamentös so richtig, mit Studien als Grundlage: Nichts. Es gibt eine 2017 aktualisierte Cochrane Analyse (Warendorf et al.) zur medikamentösen Behandlung der CIAP, die wie folgt von den Autoren zusammengefasst wird und die ich unten verlinkt habe:

Main results: We identified 39 studies and assessed them for possible inclusion in the review, but we excluded all of them because of insufficient quality or lack of relevance. We summarised evidence from non-randomised studies in the Discussion.

Authors‘ conclusions: Even though CIAP has been clearly described and delineated, no adequate randomised or quasi-randomised controlled clinical treatment trials have been performed. In their absence there is no proven efficacious drug therapy.

Das ist natürlich in seiner Harschheit irgendwie auch lustig, wenn da steht we excluded all of them because of insufficient quality or lack of relevance, zum Anderen aber auch bitter. Dennoch muss man wohl feststellen, dass es weiterhin keine evidenzbasierte kausale Therapie der CIAP gibt, dass aber relativ kleine – und den Cochrane-Analysen-Autoren nicht genügende – Daten zur symptomatischen Behandlung von neuropathischen Schmerzen mit Pregabalin und Lidocain-Pflaster gibt. Und es gibt eine Evidenz zur nicht-medikamentösen Behandlung der Polyneuropathien (und auch der CIAP) mit Physiotherapie (insbesondere Gleichgewichtstraining) und Ausdauersport (siehe auch Streckmann et al.). Beim Thema Gleichgewichtstraining ist die Option mit dem Trampolin, auf dem man Stehen soll (und natürlich auch Springen kann) charmant, da ein kleines Trampolin von den allermeisten Patienten ohne Schwierigkeiten beschafft werden kann und auch der innere Schweinehund für ein tägliches Gleichgewichtstraining auf dem Trampolin ein viel geringerer ist, als für mehrmals wöchentlichen Ausdauersport.

Wo man weiterlesen kann:

Zis, P., Sarrigiannis, P. G., Rao, D. G., Hewamadduma, C., & Hadjivassiliou, M. (2016). Chronic idiopathic axonal polyneuropathy: a systematic review. Journal of Neurology, 263(10), 1903–1910. https://doi.org/10.1007/s00415-016-8082-7

Warendorf, J., Vrancken, A. F. J. E., van Schaik, I. N., Hughes, R. A. C., & Notermans, N. C. (2017). Drug therapy for chronic idiopathic axonal polyneuropathy. Cochrane Database of Systematic Reviews, 2017(6). https://doi.org/10.1002/14651858.CD003456.pub3

Streckmann, F., & Balke, M. (2018). Bewegungstherapie bei Polyneuropathie. DGNeurologie, 1(1), 47–57. https://doi.org/10.1007/s42451-018-0010-x

Samuelsson, K., & Press, R. (2020). Chronic axonal idiopathic polyneuropathy: is it really benign. Current Opinion in Neurology, 33(5), 562–567. https://doi.org/10.1097/WCO.0000000000000847

Critical illness-Polyneuropathie und -Myopathie

Wenn ich jetzt mal wieder die Frühreha mache, ist es nach den ganzen Corona-Beiträgen höchste Zeit für das Thema critical illness-Polyneuropathie und -Myopathie, welche man meistens mit CIP/CIM abkürzt und welche ja die Standarddiagnose in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation ist. Außerdem ist es für das Thema Long Covid wichtig, da die CIP/CIM die Diagnose ist, an der die meisten schwer betroffenen COVID-Patienten nach einer intensivmedizinischen Behandlung am häufigsten leiden und weshalb sie am meisten Unterstützung benötigen.

Viele Namen, ein Phänomen

Die Beobachtung, dass schwer erkrankte (v.a. an einer Sepsis) Patienten nach der eigentlichen Erkrankung anhaltende Lähmungen der Arme, Beine aber auch der Atemmuskulatur aufweisen, taucht in der medizinischen Literatur seit dem 19. Jahrhundert immer wieder auf. Mit der Entwicklung der Intensivmedizin zu dem, was wir heutzutage als Intensivmedizin verstehen in den 1960er und 1970er Jahren, wurde dieses Phänomen immer häufiger beschrieben. Aus den 1980er Jahren stammt dann der Begriff critical illness Polyneuropathie. Erst später wurde in elektrophysiologischen Studien klar, dass gar nicht immer eine Polyneuropathie das führende Problem ist, sondern oft auch eine Myopathie, also eine primäre Erkrankung der Muskulatur. So wurde der Terminus critical illness Myopathie geprägt. Im englischen Sprachgebrauch tauchen diese Begriffe aber kaum auf, in den meisten Arbeiten werden beide Erkrankungen – die klinisch ohne EMG eh kaum unterscheidbar sind – als intensiv care unit-acquired weakness (ICUAW) bezeichnet und zusammengefasst.

Was man über die Epidemiologie weiß

Man kann es sich einfach machen und feststellen: Die CIP/CIM ist eine sehr häufige Erkrankung bei kritisch kranken Patienten und tritt bei diesen Patienten in ca. 50% der Fälle auf. Das ist allerdings ein sehr grober Mittelwert, in einzelnen Studien werden – je nach Patientenklientel und Diagnosekriterien und -Mittel – Prävalenzen zwischen 25% und 100% aller untersuchten Patienten beschrieben. Insgesamt scheint die konkrete Häufigkeit sehr stark von verschiedenen Risikofaktoren abzuhängen. Wichtigster Punkt scheinen das Auftreten einer Sepsis (Prävalenzen um 70%) und eines Multiorganversagens (bis 100% aller Patienten entwickeln eine CIP/CIM) zu sein. Zweitwichtigster Risikofaktor ist offenbar die Beatmungsdauer auf einer Intensivstation. Patienten, die kurz (um 24 Stunden) beatmet wurden, entwickeln in gut 10% aller Fälle eine CIP/CIM. Eine Beatmungsdauer von bis zu sieben Tagen führt zu einer CIP/CIM in 25-65% aller Fälle, eine Beatmungsdauer länger als sieben Tage zu einer Häufigkeit von mehr als 66%. Ein acute respiratory distress syndrome (ARDS) Link Wikipedia , erhöhte Blutzuckerspiegel, ein höheres Patientenalter und weibliches Geschlecht (viermal höheres CIP/CIM-Risiko als bei Männern) sind weitere wichtige Risikofaktoren. Es gibt die Theorie, dass Frauen und ältere Menschen auf Grund der der geringeren Muskelmasse häufiger betroffen sein könnten.

Ob eine CIP/CIM durch den Einsatz von Steroiden oder Muskelrelaxantien generell oder zu bestimmten Zeitpunkten im Krankheitsverlauf begünstigt wird, lässt sich anhand der vorliegenden Studien nicht eindeutig beantworten.

Mindestens ein Drittel aller CIP/CIM-Patienten haben längerfristige motorische Einschränkungen. Typische Kennzahlen bewegen sich in etwa in dem Korridor: 30% der Intensivstations-Patienten sind bei Krankenhausentlassung durch eine CIP/CIM relevant eingeschränkt, nach drei Monaten 20%, nach sechs Monaten 15% und nach zwei Jahren 10%. Im Barthel-Index bessern sich die Patienten durchschnittlich von 20 Punkten auf 85 Punkte nach einem Jahr. Schwieriger ist es mit der Aussage, dass das Auftreten einer CIP/CIM die Sterblichkeit auf mindestens das Doppelte erhöht, da eine CIP/CIM immer mit einem schwereren Krankheitsverlauf assoziiert ist und dieser eh schon mit einer höheren Mortalität.

Was man über die Pathogenese weiß

Die Pathogenese der CIP/CIM ist relativ komplex, zudem besteht eine vermutete Diskrepanz zwischen vermeintlichen pathogenetischen Mechanismen, die im Labor im Zell- oder Tierexperiment ermittelt werden können und der klinischen Realität. Ganz ähnlich zum großen Thema Corona gerade scheint es sich bei der CIP um eine Endothel-Krankheit im Rahmen einer ausgeprägten Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen zu handeln. Hierdurch kommt es zu einer neuerogenen Entzündung mit Ausschüttung weiterer Zytokine, wodurch es zum Einen zu einer Überexpression von Gefäßendothel und zum Anderen durch eine vermehrte Gefäßpermeabilität zu einer Ödembildung in den Nerven kommt. Beides führt zu einer Minderdurchblutung im Rahmen der Mikrozirkulation in den Vasa vasorum der Nerven. Diese Hypoxämie führt dann zu einer atonalen Schädigung. Parallel können durch die gesteigerte Gefäßdurchlässigkeit toxische Metabolite direkt schädigend am Axon wirken. Drittens kommt es bei den besonders schädlichen Hyperglykämien zu mitochondrialen Dysfunktionen und einer Störung der Atmungskette mit vermehrter Kumulation von ADP. In einer Sepsis kommt es durch die dort vorherrschende katabole Stoffwechsellage und eine Hypoalbuminämie zu einer weiteren Zunahme von Ödembildung im Gewebe mit einer Verstärkung der beschriebenen Pathomechanismen.

Zum Thema CIM kann ich die Pathogenese nur noch gröber skizzieren: Zum Einen spielt der katabole Stoffwechsel mit einem rapiden Abbau von Muskelgewebe eine relevante Rolle, zum Anderen scheinen insbesondere TNF-⍺, IL-2 und GDF-15 (growth and differentiation factor) zu verstärkten Muskelatrophien zu führen.

Wen das Thema Pathogenese weiter interessiert, dem sei der Artikel von Bloch et al. empfohlen (siehe unten).

Klinik und Diagnostik

Klassisches Kapitel, in dem man versucht eine Selbstverständlichkeit irgendwie ein bisschen genauer aufzudröseln. Also, dass es zu einer ausgeprägten schlaffen Lähmung der Atem-, aber auch Extremitätenmuskulatur kommt, ist uns allen klar. Die meisten CIP/CIM-Patienten werden recht früh, im weaning als solche diagnostiziert, da dieses oft prolongiert oder kompliziert verläuft. Beim wachen, extubierten Patienten fällt dann in der Regel eine schlaffe Paraphrase mit distaler (CIP) oder proximaler Betonung (CIM) auf. Bei der häufigen Kombination CIP/CIM, bzw. ICUAW gibt es diese lokale Betonung dementsprechend nicht und kann auch nicht diagnostisch verwendet werden. Bei der CIP handelt es sich um eine distal-symmetrische, motorisch führende, axonale Polyneuropathie, sowohl klinisch, als auch elektrophysiologisch. Dementsprechend sind die neben den schlaffen Paresen die Muskeleigenreflexe erloschen, eine relevante sensible Störung besteht eher in geringerem Ausmaß. Bei der Kombination CIP/CIM sind aber auch begleitende small fibre Neuropathien (das muss auch noch ein Blog-Thema werden, Link Wikipedia) beschrieben. Eine Hirnnervenbeteiligung ist sehr selten und sollte immer an eine Guillain-Barré-Syndrom-Variante wie ein Miller-Fisher-Syndrom (Link Wikipedia) denken lassen. Schluckstörungen sind hingegen sehr häufig, aber sehr häufig außergewöhnlich schnell regredient, so dass hier gemeinhin weniger eine neurogene Dysphagie im eigentlichen Sinne, sondern eine mechanische Affektion des Schluckaktes nach Intubation angenommen wird.

Die CIM mit den proxmial betonten Paresen lässt sich durch eine sogenannte direkte Muskelstimulation elektrophysiologisch von einer CIP abgrenzen, auch kommen bei der reinen CIP keine sensiblen Störungen vor.

Bei beiden Erkrankungsentitäten fällt im EMG in der Regel eine lebhafte Spontanaktivität (Faszikulationen und positive scharfe Wellen) auf.

Therapeutische Optionen

In Einzelfallberichten wurde eine Therapie mit IVIG geschildert, eine wie auch immer geartete Studie hierzu ist mir aber nicht bekannt. In der Regel erfolgt die Therapie (und auch die Prophylaxe) nicht-medikamentös und in erster Linie (physio)therapeutisch, in der Frührehabilitation multimodal therapeutisch. Regelmäßige Physiotherapie mit Beginn innerhalb von 48 Stunden nach Aufnahme auf die Intensivstation konnte in einer Studie die Gehstrecke bei Entlassung aus dem Krankenhaus von 0 m auf 33 m verbessern. Dabei zeigt insbesondere die CIM eine sehr rasche Besserungstendenz, so dass Patienten mit einer isolierten CIM innerhalb eines Jahres zu 80-100% beschwerdefrei sind, gegenüber 50-70% bei Patienten mit einer isolierten CIP.

Insgesamt bleibt die Studienqualität aber bescheiden, eine Cochrane-Review von 2015 kommt zu dem Schluss, dass man keine Metaanalyse nach dem Cochrane-Standard machen könne, da die entsprechend methodisch ausreichend guten Studien fehlen würden (Link).

Wo man weiterlesen kann

Bloch, S., Polkey, M. I., Griffiths, M., & Kemp, P. (2012). Molecular mechanisms of intensive care unit-acquired weakness. European Respiratory Journal, 39(4), 1000–1011. https://doi.org/10.1183/09031936.00090011

Senger, D., & Erbguth, F. (2017). Critical-illness-Myopathie und -Polyneuropathie. Medizinische Klinik – Intensivmedizin Und Notfallmedizin, 112(7), 589–596. https://doi.org/10.1007/s00063-017-0339-0

Vanhorebeek, I., Latronico, N., & Van den Berghe, G. (2020). ICU-acquired weakness. Intensive Care Medicine, 46(4), 637–653. https://doi.org/10.1007/s00134-020-05944-4