Medikamentöse Behandlung von jüngeren Patienten mit idiopathischen Parkinson-Syndromen: Dopaminagonisten
Für die Behandlung idiopathischer Parkinson-Syndrome existiert ein eigentlich sehr schönes, wenn auch etwas in die Jahre gekommenes Schema aus den alten Leitlinien-Versionen, welches eine relativ einfache Unterteilung nach Krankheitsform und Alter des Patienten macht. Unterschieden werden dabei hypokinetisch-rigides und Parkinson-Syndrom vom Äquivalenztyp vom tremor-dominanten Parkinson-Syndrom und junge Patienten – womit man ein Lebensalter bei Erstmanifestation von < 70 Jahren meint – und Patienten, die älter als 70 Jahre sind.

Jüngere Patienten werden demnach in den allermeisten Fällen initial mit einem Dopaminagonisten behandelt, wovon in der Regel nur noch die Non-Ergot-Dopaminagonisten eingesetzt werden. Von diesen gibt es wiederum vier verschiedene Präparate (Piribedil, Pramipexol, Ropinirol und Rotigotin), wobei Pramipexol und Ropinirol auch als Retard-Präparate verfügbar sind, Rotigotin nur als trandermales Pflaster. Die Eindosierung und die Zieldosis unterscheiden sich von Präparat zu Präparat. Relativ praktisch empfinde ich aber diese Aufstellung, an die man sich gut halten kann und die – so glaube ich jedenfalls, finde die Originalquelle nicht mehr) ebenfalls aus einer älteren Leitlinienversion stammt:
Substanz | Beginn | Wöchentlich. Steigerung | Erhaltungsdosis | Gesamtdosis |
Piribedil | 50 mg abends | 50 mg alle 2 Wochen | 2-3 x 50-100 mg | 150-250 mg |
Pramipexol | 0,088 mg 3 x tgl. | 2. Woche: 0,18 mg 3 x tgl. 3. Woche: 0,35 mg 3 x tgl. danach: 0,18 mg 3 x tgl. pro Woche | 0,35-0,7 mg 3 x tgl. | 1,05-3,3 mg |
Pramipexol retard | 0,26 mg morgens | 2. Woche: 0,52 mg morgens 3. Woche: 1,05 mg morgens danach: 2,1 mg morgens 3,15 mg morgens | 1,05-2,1 mg morgens | 1,05-3,15 mg morgens |
Ropinirol | 1 mg morgens | 1 mg ab 6 mg 1,5-3 mg/Woche | 3-8 mg 3 x tgl. | 6-24 mg |
Ropinirol retard | 2 mg morgens | 2 mg | 6-24 mg | 6-24 mg |
Rotigotin transdermal | 2 mg/24 h | 2 mg/24 h | 4-8 mg/24 h (Frühstadium) 8-16 mg/24 h (fortgeschrittenes IPS) | 6-16 mg/24 h |
Zu Beginn einer Behandlung mit einem Dopaminagonisten kann – genauso wie bei der Behandlung mit L-Dopa – die vorübergehende prokinetische und antiemetische Behandlung mit Domperidon hilfreich sein. Dopaminagonisten sind ansonsten in der Regel gut verträglich, können aber zu relevanten Nebenwirkungen führen: Zum Einen zu einer Tagesmüdigkeit mit imperativem Schlafdrang, welcher durchaus auch beim Autofahren auftreten kann. Zum Anderen zu Impulskontrollstörungen und insbesondere bei älteren und ggfs. komorbid demenzkranken Patienten zu Halluzinosen und psychotischem Erleben. Sowohl Impulskontrollstörungen (welche von Hypersexualität bis zu Suchterkrankungen wie Kauf-, Spielsucht oder Substanzkonsum reichen können) und psychotische Nebenwirkungen sollten zu einem umgehenden Absetzen des Dopaminagonisten und zur Einleitung einer Therapie mit L-Dopa führen, um die es das nächste Mal gehen soll.
Medikamentöse Behandlung von jüngeren Patienten mit idiopathischen Parkinson-Syndromen: MAO-Hemmer
Eine weitere – gerade in der Frühtherapie des Parkinson-Syndroms – gerne genutzte Option ist die Behandlung mit einem MAO-Hemmer und zwar mit einem MAO-B-Hemmer (MAO-A-Hemmer werden als Antidepressiva eingesetzt). MAO-B-Hemmer gibt es nur zwei: Rasagilin und Selegilin. Selegilin ist das ältere Präparat wird im Gehirn teilweise in Amphetamine umgewandelt, scheint hierüber neurotoxisch zu wirken und wird dementsprechend kaum noch eingesetzt. Für Rasagilin gilt das nicht, zwischenzeitliche gegenteilige Hoffnungen auf einen direkten neuroprotektiven Effekt konnten zwar nie so richtig bestätigt werden, es konnte aber eine Art „krankheitsmodifizierende“ Wirkung gezeigt werden. Und zwar wurde in der Hoffnung der Bestätigung des neuroprotektiven Effektes, welcher sich wohl in Labor- und Tierstudien angedeutet hatte, ein sogenanntes Delayed-Start-Design in einer der Zulassungsstudien (ADAGIO) verwendet. D.h. ein Teil der Patienten begann mit Rasagilin, die anderen mit Placebo und im Laufe der Studie erfolgte ein Wechsel der zweiten Gruppe auch auf Rasagilin. Die früher behandelten Patienten wiesen einen für die mit Placebo gestarteten Probanden uneinholbaren Vorsprung in den motorischen Untersuchungsscores auf, so dass zumindest eine nur rein symptomatische Wirkung von Rasagilin wenig plausibel erscheint.
Mit 1 mg Rasagilin 1 x tgl. kann man Frühphasen einer Parkinson-Erkrankung teilweise sogar als Monotherapie behandeln und ansonsten ca. 100 mg L-Dopa-Äquivalent in der Tagesdosis einsparen (s.u.). Insbesondere Rasagilin ist sehr gut verträglich, relevante Nebenwirkungen treten kaum auf.
Äquivalenzdosis-Tabelle
Nicht ganz so präzise wie bei Opiaten, aber mit gewissen Einschränkungen ist es durchaus möglich, eine Äquivalenzdosis-Tabelle für Parkinson-Medikamente zu erstellen, so dass eine Umrechnung und Einordnung der gewählten Medikamenten-Dosis möglich wird:
Medikamentenklasse | Medikament | Äquivalent 100 mg L-Dopa |
L-Dopa | L-Dopa | 100 |
L-Dopa ret. | 133 | |
Duodopa | 90 | |
COMT-Hemmer* | Entacapon | L-Dopa x 0,33 |
Tolcapon | L-Dopa x 0,5 | |
Dopamin-Agonisten | Pramipexol | 0,7 – 1,0 mg |
Ropinirol | 3,0 – 5,0 mg | |
Rotigotin | 4 mg/24h | |
Piribedil | 100 | |
MAO-B-Hemmer | Selegilin 10 mg p.o. | 10 |
Selegilin 1,25 mg s.l. | 1,25 | |
Rasagilin | 1,0 | |
andere | Amantadin | 100 |
Apomorphin | 10 |
nach S2K-Leitlinie Parkinson-Syndrome: Diagnostik und Therapie, 2012.
https://www.dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2012/pdf/ll_09_2012_parkinson-syndrome__diagnostik_und_therapie.pdf
Wann behandeln?
Bei der Behandlung von Parkinson-Syndromen müssen wir uns „eigentlich“ ja immer noch und weiterhin mit einer rein symptomatischen Therapie begnügen, was auf den ersten Blick wenig für eine umgehenden Therapiebeginn zu sprechen scheint. In den gängigen aktuelleren Publikationen wird aber immer mehr die früher durchaus akzeptierte „wait and see“-Strategie bei Parkinson-Syndromen in Frage gestellt und eine Behandlung bei Diagnosenstellung empfohlen. Hierfür werden in der Regel vier Punkte angeführt, wobei die ersten beiden und der letzte sich lediglich darauf beziehen, dass auch bei einem motorisch „frühen“ Parkinson-Syndrom ja „eigentlich“ die Erkrankung schon recht weit fortgeschritten ist und dementsprechend meist alltagsrelevante motorische und nicht-motorische Beschwerden mit in Studien relevanter Einschränkung der Lebensqualität bestehen, wovon wir in erster Linie die motorischen gut lindern können und das dementsprechend auch sollten. Entscheidender ist aber Punkt 3. Hier geht es noch einmal um Rasagilin und die „krankheitsmodifizierende“ Wirkung. Auf Grund dieses Umstandes wird ein unmittelbarer Therapiebeginn bei Diagnosenstellung empfohlen. Dies müsste man m.E. aber dann auch konsequent auf eine (Ko-)Behandlung mit Rasagilin eingrenzen, da es bis heute nicht überzeugend gelungen ist, einen ähnlichen Effekt z.B. für Dopaminagonisten zu zeigen.
Wo man weiterlesen kann
S3-Leitlinie Idiopathisches Parkinson-Syndrom: https://www.dgn.org/leitlinien/3219-030-010-idiopathisches-parkinson-syndrom
- Jost, W. H. Medikamentöse Therapie der motorischen Symptome beim Morbus Parkinson. Nervenarzt 88, 373–382 (2017).
- Deuschl, G. Frühtherapie bei Morbus Parkinson. Aktuelle Neurol. 38, 483–487 (2011).
- Jost, W., Friede, M. & Schnitker, J. Indirekte Metaanalyse randomisierter plazebokontrollierter klinischer Studien zu Rasagilin und Selegilin in der symptomatischen Behandlung der Parkinson-Krankheit. Aktuelle Neurol. 38, 242–252 (2011).
- Olanow, C. W. et al. A Double-Blind, Delayed-Start Trial of Rasagiline in Parkinson’s Disease. N. Engl. J. Med. 361, 1268–1278 (2009).
- Parkinson Study Group. A Controlled Trial of Rasagiline in Early Parkinson Disease. Arch. Neurol. 59, 1937 (2002).
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