Parkinson für Dummies 05: Schmerz und Parkinson

Nach langer Zeit geht es mit der Parkinson-Mini-Serie weiter. Dazu verwurste ich mal einen Artikel, den ich schon vor einiger Zeit mal als Paper konzipiert hatte, den aber bis auf so eine extrem abgespeckte Version im Hamburger Ärzteblatt (Link) niemand je so richtig haben wollte.

Epidemiologie von Schmerzen bei Parkinson

Schmerzen beim idiopathischen Parkinson-Syndrom werden zu den nicht-motorischen Symptomen gezählt, so wie die Obstipationsneigung, die Riech- und REM-Schlaf-Verhaltensstörung und die häufige orthostatische Dysregulation. Die nicht-motorischen Symptome standen lange Jahre sehr im Hintergrund und wurden erst in der letzten Zeit wieder zunehmend mehr beachtet. Und wie in allen Parkinson-Artikeln kann man auch in diesem Artikel an dieser Stelle dann was mit James Parkinson schreiben. Ich versuche das mal standesgemäß:

Dies ist in so fern erstaunlich, da die nicht motorischen Symptome schon in der Erstbeschreibung der Erkrankung durch James Parkinson 1817 einen gewichtigen Stellenwert eingenommen haben, selbst Schmerzen bei Parkinson als „schmerzhafte rheumatoide Beschwerden“ zumindest in einem Halbsatz erwähnt wurden.

Je nach Studie leiden dabei bis zu 85% aller Parkinson-Patienten an chronischen Schmerzen, im Gegenzug zu durchschnittlich 19% der Menschen in der europäischen Gesamtbevölkerung (was mir extrem viel vorkommt by the way). Für 25% der Parkinson-Erkrankten sind Schmerzen bei Parkinson eines der drei am relevantesten Beschwerden, für knapp 10% sogar die relevanteste Einschränkung, noch vor den motorischen Symptomen. Das Vorhandensein chronischer Schmerzen geht wiederum stark mit einer Einschränkung der Lebensqualität einher. Weibliches Geschlecht, eine komorbide depressive Störung, motorische Wirkfluktuationen und bestimmte genetische Konstellationen scheinen das Auftreten von Schmerzen bei Parkinson zu begünstigen.

Viele Parkinson-Erkrankte leiden an mehreren Schmerzqualitäten. Insgesamt werden die Häufigkeiten der einzelnen Schmerzen, welche in den verfügbaren Studien erheblich variieren (meist bei Möglichkeit von Mehrfachnennungen) in etwas wie folgt angegeben: Muskuloskelettale Schmerzen treten am häufigsten auf und werden in 41-70 % der Fälle berichtet, Schmerzen im Rahmen von motorischen Wirkfluktuationen in 17-40 %, radikuläre Schmerzen in 27-35% und Schmerzen, welche als zentrale Schmerzen klassifiziert werden (siehe unten), machen 10-20 % aus.

Pathophysiologie von Schmerzen bei Parkinson

Schmerzen bei Parkinson-Syndromen entstehen durch mehrere Mechanismen. Zum einen scheint es es durch Fehl- und Schonhaltungen häufiger als in der Normalbevölkerung muskuloskelettale und radikuläre Schmerzen zu geben, zum anderen verursacht die Parkinson-Erkrankung selbst offenbar häufig Schmerzen, was sich mit den in den letzten 10 Jahren gewonnenen Erkenntnissen über die pathophysiologischen Mechanismen neurodegenerativen Erkrankungen plausibel erklären lässt (also die Prion-artige Ausbreitung pathogener Eiweiße im ZNS). Wer hier noch wenig bewandert ist, kann dazu etwas im Blogeintrag zu Braak & Co nachlesen). Sehr früh, noch vor dem Beginn erster motorischer Kernsymptome lassen sich Lewy-Körperchen (also pathogenes alpha-Synuclein) im Riechhirn und im enterischen Nervensystem nachweisen, dann aszendierend über den Nervus vagus im Hirnstamm in den Kerngebieten des Nervus vagus und von dort sich über Hirnstamm, Mittel- und Zwischenhirn zum Großhirn ausbreitend. Zurück zum Schmerz: Das schmerzverarbeitenden afferenten Faserverbindungen werden in zwei Bahnsysteme unterteilt: Das mediale und das laterale System (das hatte ich hier auch schon mal erklärt). Das mediale System ist in die kognitive und affektive Schmerzverarbeitung, das Schmerzgedächtnis und in autonome Antworten auf Schmerzreize eingebunden. Im lateralen System werden insbesondere Informationen zum Schmerzort und zur Dauer des Schmerzreizes verarbeitet. Die absteigenden, schmerzhemmenden, Fasern als dritter Teil des schmerzverarbeitenden Systems verlaufen wiederum vom periaquäduktalen Grau, über den Locus caeruleus zum Rückenmark.

Bringt man diese Beobachtungen der Grundlagenforschung zusammen, wird deutlich, dass bei der Parkinson-Krankheit im Rahmen der sich ausbreitenden alpha-Synuklein-Pathologie schon sehr früh im Krankheitsverlauf schmerzverarbeitende Systeme von Neurodegeneration betroffen sind und sich hierüber – neben mechanischen Krankheitskonzepten insbesondere bei muskuloskelettalen Schmerzen – das häufige Auftreten von durch die Grunderkrankung bedingter Schmerzen erklären.

King’s Parkinson’s Disease Pain Scale

Zur Erfassung von Schmerzen bei Parkinson existierte lange Zeit kein validiertes Scoring-Instrument. In der Non-motor Symptoms Questionnaire und Scale als gängigster Score zur Erfassung nicht motorischer Symptome werden Schmerzen lediglich im Selbstauskunftsbogen in einer Frage thematisiert, ansonsten wird auf das Phänomen Schmerz bei Parkinson nicht weiter eingegangen.

Für den englischen Sprachraum wurde am King’s College in London eine semiquantitative Skala entwickelt, die seit kurzem auch in einer konsentierten Übersetzung vorliegt. In sieben Domänen werden 14 Items zu den Themen muskuloskelettale Schmerzen, chronische Schmerzen, Schmerzen im Rahmen von Wirkfluktuationen, nächtliche Schmerzen, orofaziale und abdominelle Schmerzen, Schmerzen durch Ödeme und radikuläre Schmerzen. Für alle 14 Items können der Schweregrad in den Stufen 0-3 (keine Beschwerden, leicht Beschwerden, mäßige Beschwerden, schwere Beschwerden) und die Häufigkeit in den Stufen 0-4 (nie Schmerzen, seltener als 1 x wöchentlich, 1 x wöchentlich, mehrere Male wöchentlich, täglich) angegeben werden. Beide Punktwerte werden miteinander multipliziert. Am Ende wird aus allen 14 Punktwerten die Gesamtsumme gebildet.

Schmerzarten bei Parkinson und ihre Therapie

Muskuloskelettale Rückenschmerzen

Muskuloskelettale Schmerzen machen – wie erwähnt – den größten Teil der Schmerzen bei Parkinson-Erkrankungen aus, am häufigsten ist der untere Rücken betroffen, aber auch die Schulter-Nacken-Region, Hüfte und Knie werden häufig als Schmerzorte angegeben. Typisch für muskuloskelettale Schmerzen bei Parkinson sind eine Zunahme der Beschwerden in Off-Phasen und ein relativ gutes Ansprechen auf eine dopaminerge Medikation. Neben dieser offenbar kausalen Verbindung zwischen muskuloskelettalen Schmerzen und der Parkinson-Erkrankung, entstehen derartige Beschwerden bei Parkinson-Patienten auch sekundär über ganz gewöhnliche Mechanismen – wie weiter oben schon erwähnt – welche sich auch bei nicht an Parkinson erkrankten Rückenschmerz-Patienten beobachten lassen: Zum Beispiel durch Fehl- und Schonhaltungen, Immobilität und Gangstörungen, welche zu einer Fehlbelastung der Rücken- und Extremitätenmuskulatur führen.

Ein weiteres häufiges Symptom sind Schulterschmerzen, insbesondere das Syndrom der frozen shoulder. Auch hier wird oft eine Beschwerdezunahme im Off und eine Besserung unter dopaminergen Substanzen berichtet. Bei 2-8% aller Parkinson-Patienten sind Schulterschmerzen sogar das erste Symptom der Erkrankung.

Muskuloskelettale Schmerzen bei Parkinson-Syndromen werden prinzipiell genauso wie bei nicht an Parkinson Erkrankten behandelt: Medikamentös mit NSAR, Metamizol, Opioiden (wo indiziert), bei chronischen Schmerzen mit Koanalgesie durch SSNRI oder Trizyklika (diese werden trotz anticholinerger Wirkung in der Regel gut vertragen) und insbesondere mit nicht-medikamentösen Therapiemaßnahmen, wie detonierenden Übungen, Muskelentspannungstechniken, manueller Therapie, Wärmeapplikation und – wenn zur Symptomkontrolle als hilfreich empfunden – auch mittels transkutaner elektrischen Nervenstimulation (TENS). Therapeutisch sollte zudem immer ein Ansprechen der Schmerzen auf eine dopaminerge Medikation überprüft werden.

Kamptokormie

Die Kamptokormie, also die ausgeprägte nach vorn übergebeugte Fehlhaltung des Rumpfes, tritt zwar am häufigsten bei Parkinson-Syndromen auf, ist für diese jedoch nicht spezifisch und kann auch bei anderen – in erster Linie neurodegenerativen – Erkrankungen beobachtet werden, wie bei Muskeldystrophien und Myositiden. Eine Kamptokormie bei Parkinson tritt in der Regel 4-14 Jahre nach den ersten motorischen Symptomen auf und spricht meis schlecht auf eine dopaminerge Medikation an. Andererseits wurde beobachtet, dass sich bei der tiefen Hirnstimulation, insbesondere des Globus pallidus internus Kamptokormien rasch und deutlich bessern können, so dass als Ursache des Phänomens Kamptokormie bei Parkinson mittlerweile a.e. eine nichtdopaminergen neuronalen Funktionsstörung in den Basalganglien angenommen wird.

Die Therapie der Kamptokormie, welche häufig auf Grund der ausgeprägten Fehlhaltung mit muskuloskelettalen Rückenschmerzen aber auch Radikulopathien assoziiert ist, ist medikamentös – wie erwähnt – schwierig. Neben dem schlechten Ansprechen auf L-Dopa, waren auch Therapiestudien mit der lokalen Injektion von Botulinumtoxin unter der Vorstellung einer fokalen Dystonie, als auch mit Steroiden unter der Auffassung einer Myopathie oder Myositis negativ. Für nicht-medikamentöse Therapieverfahren existieren einzelne, teils widersprüchliche, Fallberichte.

Viszerale, nozizeptive Schmerzen

Bei einem Großteil aller Parkinson-Patienten besteht eine gestörte Darmmotilität, was sich über die frühe Neurodegeneration des enterischen Nervensystems durch pathologische alpha-Synuklein-Ablagerungen erklärt. Das häufigste, in diesem Zusammenhang geäußerte Symptom ist eine Obstipationsneigung. Aber auch viszerale, eher dumpf-drückende Schmerzen werden bei Parkinsonerkrankten beschrieben. Diese Schmerzen können im gesamten Gastrointestinaltrakt von oral bis zum Analsphinkter beobachtet werden und treten oft wellen- und kolikartig im Rahmen der Peristaltik auf. Neben dem Einsatz von Prokinetika, einer vermehrten flüssigkeits- und ballaststoffreichen Ernährung und der Gabe von Laxanzien wie Macrogol, wird zudem die Durchführung einer Ernährungsberatung empfohlen. Die Gabe von Anticholinergika ist hingegen oft kontraproduktiv und führt eher zu einer Beschwerdezunahme.

Dystonie-bedingte Schmerzen

Unter dem Begriff Dystonie-bedingte Schmerzen – im englischen Sprachraum treffender als pain linked to motor symptoms bezeichnet – fasst man die typischen, häufig schmerzhaften, Wirkfluktuationen fortgeschrittener Parkinson-Syndrome zusammen, also beginning-of-dose-, end-of-dose- bzw. wearing-off-Phänomene, aber auch die teils schmerzhaften Überdosierungen oder Schmerzen in der Anflutungsphase des L-Dopa nach Medikamenteneinnahme. Das Erkennen und die Behandlung dieser Symptome ist in der Behandlung von Parkinson-Syndromen in der Regel gut etabliert, so dass Dystonie-bedingte Schmerzen relativ zuverlässig detektiert, durch Anpassung der dopaminergen Medikation behandelt werden und somit als weniger unterdiagnostiziert und -therapiert gelten, als die übrigen hier geschilderten Symptomkomplexe. Schmerzhafte Dystonien treten insbesondere bei jung erkrankten Parkinson-Patienten und bei bestimmten genetisch determinierten Parkinson-Formen, wie bei Parkin- oder PINK1-Mutationen auf.

Am häufigsten lassen sich frühmorgendlich auftretende schmerzhafte Dystonien beobachten, entweder vor der ersten morgendlichen Einnahme des L-Dopa oder während des langsamen Anfluten des ersten eingenommenen L-Dopa, welche typischerweise die unteren Extremitäten betreffen und mit muskelkrampfartiger Plantarflexion, Fußinversion und einer Streckung der Knie einhergehen.

Neuropathische Schmerzen

Bei den neuropathischen Schmerzen kann zwischen radikulären und zentralen Schmerzen unterschieden werden.

Radikuläre Schmerzen

Während – je nach epidemiologischer Studie – in der Allgemeinbevölkerung eine Prävalenz von Radikulopathien von ca. 10% beschrieben wird, leiden 14-35% der Parkinson-Erkrankten an radikulären Schmerzen. Dies wird in erster Linie mit der vermehrten mechanischen Schädigung der Wirbelsäule durch chronische Fehlhaltungen, wie durch die Kamptokormie und Dystonien erklärt.

Therapeutisch werden in der Regel – wie bei nicht an Parkinson Erkrankten – Koanalgetika aus der Gruppe der Antikonvulsiva eingesetzt, insbesondere Gabapentin und Pregabalin. Für Gabapentin, welches auch bei Parkinson überwiegend gut vertragen wird, existiert eine deutlich bessere Studienlage zum Einsatz bei neuropathischen Schmerzen im Rahmen einer Parkinson-Erkrankung als für Pregabalin. Auch die koanalgetische Aktivierung der absteigenden Schmerzhemmung mittels Gabe von Trizyklika und SSNRI unterscheidet sich nicht von der Behandlung von radikulären Syndromen ohne begleitende Parkinson-Erkrankung.

Zentrale Schmerzen

Ungefähr 10% der Schmerzen bei Parkinson-Syndromen machen zentrale Schmerzen aus. Diese werden oft an für Dyskinesien/Dystonien oder muskuloskelettale Schmerzen ungewöhnlichen Lokalisationen (Gesicht, Nase-/Rachen-Raum, Mund, Abdomen, Genitale) beschrieben, erscheinen teils bizarr, für Außenstehende wenig nachvollziehbar, werden meist als brennend und/oder verkrampfend beschrieben und zeigen oft eine Seitenbetonung, kongruent zu der von der Parkinson-Erkrankung schwerer betroffenen Körperseite. Vermehrt treten zentrale Schmerzen in Off-Phasen auf. Erklärt werden diese Schmerzen durch pathologische Alpha-Synuclein-Ablagerungen im Tractus spinoreticularis und Tractus spinothalamicus, die dort zur Neurodegeneration führen. Zentrale Schmerzen werden oft als derart beeinträchtigend empfunden, dass sie die übrige Parkinson-Symptomatik deutlich in den Hintergrund rücken lassen. Oft führt dies zu einer umfangreichen Abklärung des Schmerzes, ohne dass sich ein wegweisendes pathologisches Korrelat ergibt. Häufig besteht ein gutes Ansprechen der Schmerzen auf eine dopaminerge Medikation. Bei Therapieversagen können klassische Analgetika incl. Opioide, aber auch Trizyklika und atypische Neuroleptika versucht werden. Positive Fallberichte bestehen bei ansonsten therapierefraktären Schmerzen auch für eine tiefe Hirnstimulation des Ncl. subthalamicus beidseits.

Eine konsensuelle Definition und Abgrenzung zentraler Schmerzen von anderen Schmerzqualitäten bei der Parkinson-Erkrankung existiert nicht, üblicherweise werden Schmerzen, die nicht in eine der anderen genannten Kategorien fallen und für welche es keine plausiblere Erklärung als die Parkinson-Erkrankung selbst, als zentrale Schmerzen eingeordnet.

Schmerz und Parkinson: Wo und wie behandeln?

Ich glaube, das A&O ist das dran denken und das nachfragen, wenn Patienten von alleine nicht von Schmerzen berichten. Zudem muss man im Hinterkopf haben, dass es sich bei Schmerzen beim Parkinson-Syndrom oft um Mischbilder verschiedener Schmerzqualitäten handelt, welche zudem chronifiziert sind und im Rahmen einer progredienten, neurodegenerativen Erkrankung auftreten. Das kann dazu führen, dass die klassische unimodale Schmerztherapie rasch an ihre Grenzen gerät und eine Behandlung im Setting einer multimodalen Schmerztherapie mit einem interdisziplinären Behandlungsteam vorteilhafter sein kann.

Wo man weiterlesen kann:

Beiske AG, Loge JH, Rønningen A, Svensson E. Pain in Parkinson’s disease: Prevalence and characteristics. Pain. 2009;141:173–177.

Ford B. Pain in Parkinson’s disease. Mov Disord. 2010;25 Suppl 1:S98–S103.

Truini A, Frontoni M, Cruccu G. Parkinson’s disease related pain: a review of recent findings. J Neurol. 2013;260:330–334.

Valkovic P, Minar M, Singliarova H, et al. Pain in Parkinson’s Disease: A Cross-Sectional Study of Its Prevalence, Types, and Relationship to Depression and Quality of Life. PLoS ONE. 2015;10:e0136541.

Parkinson für Dummies 04: Tremordominantes Parkinson-Syndrom

Mehr Schüttel als Lähmung: Tremordominantes Parkinson–Syndrom

Aus aktuellem Anlass (brainpainblog hat ein kleines Tip-Problem), wie man ja so schön sagt, versuche ich mich mal mit einem Blog-Beitrag, den ich über Siri diktiere und dann hoffentlich nicht bis unendlich korrigieren muss. Also schauen wir mal, wie das so wird.

„Häufiges ist häufig“ bringt einem manchmal nichts

Das tremordominante Parkinson-Syndrom ist im Vergleich zum Parkinson-Syndrom vom Äquivalenztyp und zum akinetisch-rigiden Parkinson-Syndrom durchaus seltener und führt in der der Wald und Wiesen-Neurologie, wie sie die meisten von uns betreiben, ein wenig ein Schattendasein. Das liegt sicherlich auch daran, dass Patienten mit tremordominanten Parkinson-Syndrom eher früher erkranken als Patienten, die ein Parkinson-Syndrom vom Äquivalenztyp oder ein akinetisch-rigides Parkinson-Syndrom entwickeln und dass auch die genetisch bedingten Parkinson-Syndrome durchaus mit tremordominanten Verlaufsformen einhergehen. Daher findet man diese Patienten eher in spezialisierten Zentren und weniger im klinischen Alltag des Durchschnittsneurologen.

Zudem – und das scheint angesichts der durchaus verschiedenen Erkrankungsverläufe (neben dem früheren Erkrankungsalter sind die Verläufe oft milder, affektive Begleiterkrankungen seltener, Demenzen ebenfalls) auch gut nachvollziehbar – unterscheidet sich die Pathophysiologie bei tremordominanten Parkinson-Erkrankungen durchaus von den anderen Verlaufsformen. Neuroinflammation scheint bei tremordominanten Verlaufsformen eine viel größere Rolle zu spielen, ein Hypometabolismus im präfrontalen Kortex und den Stammganglien hingegen viel seltener aufzutreten.

Parallel ist die Datenlage zur medikamentösen Behandlung der tremordominanten Verlaufsformen eher dünn und das was es gibt, beschäftigt sich vor allem mit dem Thema tiefe Hirnstimulation und neuerdings auch mit ultraschallgestützter läsioneller Chirurgie. Nur das bringt einem im klinischen Alltag alles herzlich wenig, wenn die einzige wirklich gut fundierte Empfehlung ist, Patienten mit tremordominanten Parkinson-Syndromen möglichst frühzeitig in Zentren vorzustellen, wo eine tiefe Hirnstimulation erfolgen kann, wenn die medikamentöse Therapie denn gescheitert ist. Aber genau da stellt sich ja die Frage, wie diese Therapie denn auszusehen hat.

Das Pferd von hinten aufzäumen: Ist die tiefe Hirnstimulation wirklich so gut?

Fangen wir doch von hinten an, wenn es am Ende auf eine tiefe Hirnstimulation hinausläuft, was ist denn der so unschlagbare Vorteil dieses Verfahrens? Es gibt fünf große randomisierte Studien, welche zwischen 2006 und 2013 veröffentlicht wurden und welche alle eine Überlegenheit der tiefen Hirnstimulation gegenüber einer medikamentösen Therapie zeigen konnten, wenn bestimmte Eingangsvoraussetzungen erfüllt waren. Hauptvorteil der tiefen Hirnstimulation ist neben der Verbesserung nahezu aller klinischer Parameter, welche man bei Parkinson-Erkrankten messen kann, die gute Tremor-Unterdrückung, welche medikamentös oft deutlich schlechter gelingt. Nachteilig sind die Komplikationen durch den Hirnstimulator, zum Beispiel Infektionen und die Prozedur der Implantation der Hirnstimulator-Sonden als solche, welche nicht für alle Patienten in Frage kommt. Als Eingangsvoraussetzungen zur Hirnstimulator-Anlage gelten:

  • medikamentös nicht ausreichend behandelbare Wirkfluktuationen und/oder Dyskinesien und/oder Tremor
    Oder
    • Patientenalter beim Auftreten von Wirkfluktuationen oder Dyskinesien unter 60 Jahre
    Und
    • Ansprechen der Symptome prinzipiell auf L-Dopa (30% UPDRS-Besserung bei Wirkfluktuationen, 50%-Besserung bei jungen Patienten)
    • keine Frühsymptome einer Demenz
    • Keine instabilen psychiatrischen Komorbiditäten
    • Keine signifikanten somatischen Komorbiditäten
    • Keine neurochirurgischen Kontraindikationen

Und welche Medikamente helfen gegen Tremor?

L-Dopa

Natürlich hilft L-Dopa in den meisten Fällen durchaus gegen Tremor, wenn auch Hypokinese und Rigor oft besser ansprechen. Das mag an den Zielstrukturen liegen – Substantia nigra bei Hypokinese und Rigor und Thalamus und cerebello-thalamische Bahnen beim Tremor und die Stammganglien bei allen Symptomen, dennoch ist – s.o. – das Ansprechen auf L-Dopa sogar Vorbedingung für eine Implantation eines tiefen Hirnstimulators. Zur Dosierung und den Einnahmezeitpunkten unterscheiden sich die Empfehlungen nicht von den Leitgedanken bei hypokinetisch-rigiden oder Parkinson-Syndromen vom Äquivalenztyp.

Pramipexol

Für Pramipexol existiert eine Studie aus 2002, welche ein besonders gutes Ansprechen auch des Tremors auf die Pramipexol-Standarddosis von 2,1 mg/Tag zeigen konnte. Ob die anderen Dopaminagonisten genauso gut helfen, bleibt auch bei intensiverer Recherche etwas schwammig, vermutlich aber schon.

Biperiden

Mit den Anticholinergika ist das so eine Sache. Es gibt wenige Medikamente, welche noch mehr psychotrop wirken, als Anticholinergika und welche gleichzeitig auch noch ein Abhängigkeitspotential (mehr bei der i.v.-, als bei der p.o.-Gabe) haben. Wenn man einen psychisch gesunden, jüngeren Parkinson-Patienten dennoch mit Biperiden behandeln will, beginnt man mit 1 mg 1 x Tag und steigert dies auf 3 x 2-4 mg. Ein bisschen witzig ist, dass eine besondere tremorlytische Eigenschaft von Biperiden überhaupt nicht belegt ist, Biperiden aber in allen mir bekannten Neurologenköpfen relativ weit vorne herumspukt, wenn es um die Behandlung von tremordominanten Parkinson-Syndromen geht,

Amantadin

Getestet und belegt ist die Wirkung auf motorische Wirkfluktuationen, insbesondere Dyskinesien in Spätstadien der Parkinson-Erkrankung, nicht aber in der Frühphase. Sichere Daten, die eine Tremorlyse abseits von Expertenmeinungen zeigen, gibt es nicht, außer wenn der Tremor insbesondere bei Wirkfluktuationen auftritt. Die übliche Tagesdosis bei Parkinson-Patienten liegt zwischen 100 und 300 mg Amantadin, welche in 1-2 Einnahmezeitpunkte aufgeteilt wird. Hauptproblem bei Amantadin sind psychotische Nebenwirkungen, welche teilweise schon bei niedriger Tagesdosis auftreten können.

Clozapin

Clozapin ist sozusagen der Gegenentwurf zum Biperiden. Clozapin wirkt recht gut auf Tremores, ist allerdings auf Grund seiner blutdrucksenkenden und sezierenden Nebenwirkungen bei Parkinson-Patienten nicht ganz unproblematisch, ganz abgesehen von den anderen Clozapin-Besonderheiten (Blutbildkontrollen, Gewichtszunahme). Dafür wirkt es antipsychotisch und gegen den Tremor, was sozusagen ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu den anderen Substanzen ist. Clozapin kann man in Dosierungen von 25-75 mg abends versuchen, ggfs. auch noch etwas steigern.

Propranolol und Primidon

Mit sehr schlechter Evidenz oder bei Überschneidungen mit einem essentiellen Tremor (Haltetremor steht im Vordergrund), gibt es auch noch die Option die symptomatische essentielle Tremor-Therapie zu versuchen.

Das Kochrezept

Alles in allem kann man vermutlich festhalten: Am Ende unterscheidet sich die Erstbehandlung von tremordominanten Parkinson-Syndromen gar nicht so sehr von der der anderen Verlaufsform. Man würde also bei jüngeren Patienten mit Dopamin-Agonisten und dann L-Dopa beginnen, bei älteren direkt mit L-Dopa. Spannender wird, wenn diese Standardbehandlung nicht ausreicht. Dann wird man eines oder mehrere der genannten zusätzlichen Medikamente probieren müssen, je jünger und weniger psychiatrisch krank die Patienten dann sind, desto mehr Optionen hat man.

Muss die Therapie-Schema-Abbildung nicht geändert werden?

Hier (Mini-Serie: Parkinson für Dummies // 01) und hier (Mini-Serie: Parkinson für Dummies // 02) hatte ich ja ein Therapieschema-Bild gepostet, was seit Jahren durch meine Unterlagen spukt. Ich würde es nach der jetzigen Recherche ein wenig anpassen und dann auch in den älteren Beiträgen geändert einfügen.

Wo man weiterlesen kann

S3-Leitlinie Idiopathisches Parkinson-Syndrom: https://www.dgn.org/leitlinien/3219-030-010-idiopathisches-parkinson-syndrom

  1. Prodoehl, J. et al. Differences in brain activation between tremor- and nontremor-dominant parkinson disease. Arch. Neurol. 70, 100–106 (2013).
  2. Bond, A. E. et al. Safety and efficacy of focused ultrasound thalamotomy for patients with medication-refractory, tremor-dominant Parkinson disease a randomized Clinical trial. JAMA Neurol. 74, 1412–1418 (2017).
  3. Dirkx, M. F. et al. Dopamine controls Parkinson’s tremor by inhibiting the cerebellar thalamus. Brain 140, 721–734 (2017).
  4. Lian, T.-H. et al. Tremor-Dominant in Parkinson Disease: The Relevance to Iron Metabolism and Inflammation. Front. Neurosci. 13, 1–9 (2019).

Parkinson für Dummies 03: Braak & Co. Wie geht eigentlich Parkinson?

Eigentlich das erste Thema der Serie. Aber irgendwie auch nicht. Nach der Erstbeschreibung der shaking palsy durch James Parkinson 1817, welcher durchaus auch nicht-motorische Symptome der Parkinson-Erkrankung beschrieb, standen spätestens nach der Verfügbarkeit von L-Dopa v.a. die motorischen Symptome und ihre Behandlung im Vordergrund.

95 Jahre später, 1912, wurden durch Friedrich Jacob Heinrich Lewy die später nach ihm benannten Einschlusskörperchen in Neuronen von Parkinson-Patienten entdeckt, von denen man heute weiß, dass diese Einschlusskörperchen aus großen Mengen fehlgefaltetem alpha-Synuclein bestehen. Alpha-Synuclein ist ein kleines, ubiquitär in Nervenzellen vorkommendes Protein, welches normalerweise Stützaufgaben beim Vesikeltransport zu haben scheint.

In den frühen bis mittleren 2000er Jahren finden dann zwei bahnbrechende Entdeckungen statt: In einer Arbeit von Li et al. (Li, J.-Y. et al. Lewy bodies in grafted neurons in subjects with Parkinson’s disease suggest host-to-graft disease propagation. Nat. Med. 14, 501–503 (2008)) wurde in Hinbiopsien verstorbener Patienten, welche zuvor eine Stammzell-Transplantation bei einer Parkinson-Erkrankung erhalten hatten, Lewy Körperchen in den Transplantaten nachgewiesen. Dies kollidierte mit den damals vorherrschenden Erklärungsmodellen der Parkinson-Erkrankung (einer genetisch determinierten Erkrankung, bzw. einem verfrühten Alterungsprozess), da die Zellen ja von einem genetisch unterschiedlichen Individuum stammten und im Gegensatz zum restlichen Gehirn erst 11-16 Jahre alt waren. Parallel publizierte der Ulmer Neuropathologe Heiko Braak zusammen mit seiner Arbeitsgruppe Fallserien von Autopsien von Parkinson-Patienten, in welchen er eine Ausbreitung der Lewy-Körperchen vom Hirnstamm, über die Pons, die Stammganglien bis in die Kortexareale nachweisen und diese mit den jeweiligen klinischen Befunden vor Versterben in Einklang bringen konnte.

Braak-StadiumBetroffene neuroanatomische Strukturen
IBulbus olfactorius und dorsaler Vaguskern
IIUntere Raphe-Kerne sowie der Coeruleus/Subcoeruleus-Komplex 
IIIMittelhirn mit der Substantia nigra
IVbasales Vorderhirn 
V-VIkortikale Strukturen
Braak-Stadien
Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/Gray%27s_Anatomy_plates, eigene Anmerkungen

Später konnte er diese Stadien noch um den N. vagus, das enterische Nervensystem und das Riechhirn erweitern, in welchen noch früher alpha-Synuclein-Ablagerungen nachweisbar waren.

Aszensionshypothese beim idiopathischen Parkinson-Syndrom

Damit war die Aszensionshypothese zumindest beim idiopathischen Parkinson-Syndrom geboren. Es stellte sich dann nur die Frage, wie kommen die Lewy-Körperchen von Zelle zu Zelle. Und damit kommen die frühen 1990er Jahre und die BSE-Krise ins Spiel. Damals wurde das Konzept der Prion-Erkrankungen hoffähig, also die Annahme, dass ein reguläres intrazelluläres Protein durch eine Konformationsänderung zu einem pathogenen Agens werden kann, dann andere „normale“ Proteine ebenfalls zu einer Konformationsänderung bringt und sich zudem von Zelle zu Zelle ausbreitet. Bei den klassischen Prion-Erkrankungen kommt zur Dramatiksteigerung noch hinzu, dass das Prion-Protein in der pathologischen Form auch noch extrem hitzebeständig und auch ansonsten nahezu unzerstörbar ist.

Ähnlich wie das Prion-Protein scheint das fehlgefaltete alpha-Synuclein über verschiedene relativ unspektakuläre Exozytose- und Endozytose-Mechanismen (Golgi Apparat, endoplasmatisches Retikulum) von Zelle zu Zelle zu gelangen. Das Fehlen spezifischer Transportmechanismen macht wiederum eine zielgerichtete, z.B. Antikörper-Therapie gegen den Krankheitsprogress ungemein schwierig.

Der Clou an der Sache ist aber eigentlich, dass nach und nach klar wurde, dass eigentlich alle neurodegenerativen Erkrankung auf diese Weise (pathologische Protein-Ablagerungen, Prion-artige Ausbreitung) zu funktionieren scheinen, nur dass sich die jeweiligen Proteine und Ausbreitungswege unterscheiden. Aber das ist ein eigenen Blogeintrag wert.

Ist Parkinson dann nicht eigentlich ansteckend? Und warum bekommen nicht alle Parkinson?

Von den Prion-Erkrankung kommend, müsste man eigentlich annehmen, dass Parkinson dann auch ansteckend sein könnte. V.a. wenn die Erkrankung im enterischen Nervensystem und im Riechhirn zu beginnen scheint, also in Strukturen, wo Nervenzellen relativ direkten Kontakt zur Außenwelt haben. Epidemiologische Daten und auch Tiermodelle scheinen dies aber nicht zu bestätigen. Vielmehr scheint es so zu sein, dass eine genetische Prädisposition vorhanden sein muss, damit fehlgefaltetes alpha-Synuclein sich von Zelle zu Zelle ausbreiten kann, was relativ überzeugend mit transgenen Mäusen gezeigt werden konnte. Und so scheint es am Ende zu sein, wie bei vielen anderen Erkrankungen: Es muss eine genetische Prädisposition vorhanden sein, damit verschiedene Umweltfaktoren dann eine Parkinson-Erkrankung auslösen können. Diese sind bislang nur in Ansätzen offenbar: So scheinen fehlender Kaffee-, Nikotin- und Alkoholkonsum das Auftreten einer Parkinson-Erkrankung zu begünstigen, ebenfalls Kopftraumata in der Vorgeschichte. Eine Obstipationsneigung, depressive Symptome, fehlender Bluthochdruck und Betablocker-Einnahme scheinen eher Frühsymptomen der Parkinson-Erkrankung, bzw. ihrer Behandlung zu entsprechen. Das Quartett Leben auf dem Land, Trinken von Brunnenwasser, Pestizid-Exposition und Tätigkeit in der Landwirtschaft stammt aus großen amerikanischen Registern und gehört vermutlich zusammen, wobei der Kern dann wohl a.e. die Pestizid-Exposition sein dürfte. Interessanterweise sind sogar die sonst immer angeschuldigten drei Faktoren Handystrahlung, Impfen und Aluminum-Exposition untersucht und als nicht das Risiko einer Parkinson-Syndroms erhöhend eingeschätzt worden.

Wo man weiterlesen kann
  1. Braak, H. et al. Staging of brain pathology related to sporadic Parkinson’s disease. Neurobiol. Aging 24, 197–211 (2003).
  2. Braak, H., Sastre, M., Bohl, J. R. E., de Vos, R. A. I. & Del Tredici, K. Parkinson’s disease: lesions in dorsal horn layer I, involvement of parasympathetic and sympathetic pre- and postganglionic neurons. Acta Neuropathol. 113, 421–429 (2007).
  3. Pan-Montojo, F. & Reichmann, H. Ursache der Parkinson-Krankheit: Braak revisited. Aktuelle Neurol. 41, 573–578 (2015).
  4. Klingelhoefer, L. & Reichmann, H. Aszensionshypothese beim idiopathischen Parkinson-Syndrom. Aktuelle Neurol. 44, 170–179 (2017).

Parkinson für Dummies 02: Parkinson-Behandlung bei älteren Patienten

Medikamentöse Behandlung von älteren Patienten mit idiopathischen Parkinson-Syndromen: L-Dopa

Folgt man noch einmal dem Therapieschema aus Teil 1, dann besteht die Behandlung älterer Patienten mit (idiopathischen) Parkinson-Syndromen vor allem aus einer Monotherapie mit L-Dopa.

Für den klassischen Krankenhausneurologen wird dies der Regelfall sein, da Ersteinstellungen (und auch Therapieanpassungen) bei unter 70-jährigen in der Regel eine Domäne der ambulanten Neurologie sind. Im Krankenhaus sehen wir hingegen eher ältere, multimorbide und sehr häufig begleitend demenzkranke Patienten.

Wie fange ich an?

Naja könnte man sagen, irgendwie so wie immer: Kleine Dosis L-Dopa erst einmal, dann zweimal, dann dreimal täglich und fertig. Ist auch fast so, aber nicht ganz. Zunächst muss man bedenken, dass L-Dopa (auch wenn in den Präparaten ein Decarboxylasehemmer enthalten ist, der die Umwandlung in Dopamin in der Peripherie weitestgehend verhindert), im enterischen Nervensystem und der Area postrema wirkt und doch relativ stark zu Übelkeit und Erbrechen führt. Darum fängt man mit einem antiemetisch und prokinetisch wirkenden Medikament an, was nicht Metoclopramid ist, da dieses als zentraler Dopaminantagonist Parkinson-Syndrome verschlimmert, sondern mit Domperidon. Hier ist die Standarddosis 3 x 10 mg und 1-2 Tage vor Beginn einer L-Dopa-Behandlung sollte man anfangen, Domperidon zu verordnen.

Erst danach sollte man das L-Dopa eindosieren.

L-Dopa und L-Dopa

Hier ist nur wichtig zu wissen, dass es L-Dopa mit zwei verschiedenen Decarboxylasehemmern zu kaufen gibt, zum Einen mit Carbidopa, zum Anderen mit Benserazid. Die Präparate mit L-Dopa/Carbidopa sind immer mit der Dosis L-Dopa/Dosis Decarboxylasehemmer bezeichnet, also z.B. 100/25 mg oder 50/12,5 mg. Die Firma, die die Präparate mit Benserazid unter dem Namen Madopar vertreibt, rechnet beide Dosen zusammen. Deshalb sind in Madopar 125 mg ebenfalls 100 mg L-Dopa und 25 mg Benserazid enthalten. Theoretisch sind die beiden Präparate-Gruppen austauschbar und man könnte sie vermutlich wild abwechselnd geben, in der Praxis wird man dies vermeiden um nicht irgendwelche Unterschiede in Pharmakodynamik und -kinetik versehentlich mitzunehmen.

L-Dopa 3 x tgl.

Wie gesagt, es lohnt sich mit der niedrigsten Dosis, also der 50 mg-Dosis unter Domperidon-Gabe zu beginnen und die L-Dopa-Dosis nach einigen Tagen dann auf 3 x 100 mg zu steigern. Nach wenigen Tagen kann man dann auch das Domperidon wieder absetzen. Eine Sache gilt es zu beachten, L-Dopa muss eine halbe Stunde vor oder 1,5 Stunden nach den Mahlzeiten eingenommen werden, damit es wirken kann. Dementsprechend müssen die Einnahmezeitpunkte „um die Mahlzeiten herum“ geplant werden. Die drei mal tägliche L-Dopa-Gabe funktioniert meistens nur einen begrenzten Zeitraum lang. Dies hat folgenden Hintergrund: L-Dopa muss, damit es nicht zu Phasen von Über- und Unterdosierung kommt, bei der drei mal täglichen Gabe als Dopamin in der Substantia nigra zwischengespeichert und dann nach und nach wieder freigesetzt werden. Dies geht natürlich nur so lange es ausreichend Dopamin-speichernde Neuronen in der Substantia nigra gibt. Da man grob davon ausgehen kann, dass eine typische Parkinson-Klinik erst bei einem Zelluntergang von 50% aller dopaminergen Neuronen auftritt, kann man sich vorstellen, dass bei einer weiteren Neurodegeneration die Zahl der intakten Neuronen derart schnell abnimmt, dass die Zwischenspeicherfunktion nicht sehr lange ausreicht. Und das leitet über zu:

L-Dopa 4 x tgl.: Das L-Dopa-Uhrzeit-Raster

Mit einer 4 x tgl. Gabe alle 4 Stunden schafft man es in den allermeisten Fällen den Wach-Zeitraum am Tag abzudecken und trotzdem „nur“ 2 Halbwertszeiten in der L-Dopa-Verstoffwechselung zwischen den einzelnen Einnahmezeitpunkten zu haben und so einen relativ konstanten Wirkstoffspiegel gewährleisten zu können. Dies bedeutet aber auch, dass man schon ab einer 4 x tgl. Gabe eine Gabe nach Uhrzeiten einführt, um die Einnahme-Abstände zu gewährleisten. Und das führt zu dem „Standard-Uhrzeiten-Raster“ der L-Dopa-Gabe was sich sehr bewährt hat: 7, 11, 15, 19 Uhr. An diesem Raster, welches man je nach Lebenssituation der Patienten nach vorne und nach hinten schieben kann, kann man sich in der Behandlung von Parkinson-Syndromen meistens sehr lange entlang hangeln und zwar so:

Einfaches Therapieschema, L-Dopa Tagesdosis 400 mg
7.00 Uhr11.00 Uhr15.00 Uhr19.00 Uhr
L-Dopa/Carbidopa 100/25 mg
 oder
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg
1111
Erweiterung des Therapieschemas, L-Dopa Tagesdosis 600 mg

Wenn dies nicht mehr reicht, dann meistens weil entweder der Start in den Tag oder der nächtliche Toilettengang Probleme bereiten. Den Start morgens kann man mit schnell wirksamen L-Dopa-Formulierungen erleichtern, die Nacht mit den sonst auf Grund ihrer unzuverlässigen kontinuierlichen Wirkstofffreisetzung wenig benutzten Retard-Tabletten.

06.30 Uhr7.00 Uhr11.00 Uhr15.00 Uhr19.00 Uhr22.00 Uhr
L-Dopa/Carbidopa 100/25 mg
 oder
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg
1111
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg LT1
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg retard1
Eskalation des Schemas bei Wirkfluktuationen

Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es typischerweise trotz der 4-Stunden-Abstände mit zunehmender Neurodegeneration zu Wirkfluktuationen mit End-of-Dose-Phänomenen und wearing-off. Dann kann ein COMT-Hemmer helfen, die Wirkdauer des L-Dopa trotzdem auf 4 Stunden zu strecken:

06.30 Uhr7.00 Uhr11.00 Uhr15.00 Uhr19.00 Uhr22.00 Uhr
L-Dopa/Carbidopa/Entacapon 100/25/200 mg1111
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg LT1
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg retard1
Fortgeschrittene Parkinson-Syndrome

In den allermeisten Fällen wird man irgendwann die Höhe einzelner Dosen ändern müssen, um auf einzelne unter- oder überbewegliche Phasen zu reagieren. Oft reicht die Morgendosis trotz LT-Tablette eigentlich nicht aus, so dass man so etwas versuchen kann:

06.30 Uhr7.00 Uhr11.00 Uhr15.00 Uhr19.00 Uhr22.00 Uhr
L-Dopa/Carbidopa/Entacapon 150/37,5/200 mg1
L-Dopa/Carbidopa/Entacapon 100/25/200 mg111
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg LT1
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg retard1

Häufig kommt es dafür dann nachmittags zu eher überbeweglichen Phasen (oder psychotischen Nebenwirkungen), so dass man dann hier die Dosis verringern kann und muss:

06.30 Uhr7.00 Uhr11.00 Uhr15.00 Uhr19.00 Uhr22.00 Uhr
L-Dopa/Carbidopa/Entacapon 150/37,5/200 mg1
L-Dopa/Carbidopa/Entacapon 100/25/200 mg1
L-Dopa/Carbidopa/Entacapon 50/12,5/200 mg11
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg LT1
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg retard1

Die Einnahmeabstände muss man in den allerwenigsten Fällen ändern, was sehr oft das ganze unheimlich kompliziert macht, da es dann kürzere und längere Zeiträume gibt, die es zu überbrücken gilt. Die meisten Probleme lassen sich mit einer Dosis- oder Wirkstoffanpassung gut kompensieren.

Was schief gehen kann, geht schief: Fallstricke

Die beiden typischsten Fallstricke sind sicherlich:

  • komplizierte, ausufernde Medikationen mit teilweise antagonistisch wirkenden Präparaten und
  • zu hektische Medikamentenumstellungen und
  • multimorbide Patienten, welche im Rahmen einer akuten Erkrankung oder eines Delirs ihre Medikamente nicht mehr schlucken können
Fallstrick: Gas und Bremse gleichzeitig

So etwas sieht man relativ häufig:

06.30 Uhr7.00 Uhr11.00 Uhr15.00 Uhr19.00 Uhr22.00 Uhr
L-Dopa/Carbidopa/Entacapon 100/25/200 mg1111
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg LT1
L-Dopa/Benserazid 100/25 mg retard1
Pramipexol 0,35 mg111
Quetiapin 25 mg12
Rivastigmin 9,5 mg/24h-Pflaster1

Und hier gilt frei nach Kettcar: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Jetzt sind Parkinson-Medikationspläne meist historisch gewachsen und uns ist oft die Vorgeschichte nur in Teilen bekannt, aber gerade deshalb kann ein unverstellter Blick von außen manchmal recht hilfreich sein. Da aber auch Neurologen narzisstisch kränkbar sind, lohnt es sich ,vor dem Absetzen der meisten Präparate durchaus mit dem Verordner einmal zu telefonieren und sich abzusprechen. In dem aufgeführten (relativ typischen) Beispiel könnte man sich folgendes überlegen: Pramipexol führt wie alle Dopaminagonisten gerade bei älteren Patienten oft zu psychotischen Nebenwirkungen, insbesondere wenn eine Demenzerkrankung (Rivastigmin-Pflaster) vorliegt. Rivastigmin wiederum ist zwar zur Behandlung der Parkinson-Demenz zugelassen und indiziert, führt aber wiederum durch die cholinerge Wirkung oft zu einer motorischen Verschlechterung und wirkt zudem noch prodelirogen. Quetiapin und L-Dopa parallel zu geben ist in gewisser Weise widersinnig, auch wenn uns das Phänomen von psychiatrischen Nebenwirkungen bei dennoch unterbeweglichen Patienten sicherlich allen gut bekannt ist. Und an dieser Stelle hilft die gute alte geriatrische Medikamentenhygiene: Absetzen, was für die Patienten keinen nennenswerten Effekt (mehr) hat. Und so wäre es einen Versuch wert, dass Rivastigmin zu pausieren und das Pramipexol abzusetzen, vermutlich muss man dann gar nicht so viel an der L-Dopa-Dosis verändern und kann auch das Quetiapin nur noch bedarfsweise geben. Und im schlimmsten Fall setzt man einzelne Präparate halt wieder schrittweise an.

Fallstrick: Schnell-schnell

In unserem Beispiel von gerade kann man jetzt natürlich alle Medikamente auf einmal ab- oder auch wieder ansetzen oder das ganze schrittweise machen. Je älter und multimorbider Patienten sind, desto langsamer und schrittweiser sollten Medikamentenumstellungen erfolgen, da sich sonst die einzelnen Umstellungsschritte gar nicht mehr zuordnen lassen.

Der nächste Fehler ist, Medikamentenumstellung in (abklingende) Infekte oder Delirien hinein zu beginnen. Ähnlich wie bei anderen chronischen ZNS-Erkrankungen lässt sich eine infektbedingte Verschlechterung auch bei Parkinson-Erkrankungen beobachten, welche oft auch wieder reversibel ist.

Fallstrick: Patient kann die Medikamente nicht schlucken

Um es kurz zu sagen: Man kann alle Parkinson-Medikamente mörsern und über eine Magensonde geben bis auf Kapseln (die man aber 1:1 in Tabletten umsetzen kann) und Retard-Präparate. Und das ist in den meisten Fällen auch der einfachste Weg.

Alternativ kann man auch ein Rotigotin-Pflaster geben, was aber in den allermeisten Fällen die 1:1-Umsetzung der Hausmedikation nicht ersetzen kann, drittens Amantadin i.v., für welches das selbe gilt + dass Amantadin gerade bei älteren Patienten oft zu psychotischem Erleben führt.

Wo man weiterlesen kann

S3-Leitlinie Idiopathisches Parkinson-Syndrom: https://www.dgn.org/leitlinien/3219-030-010-idiopathisches-parkinson-syndrom

  1. Jost, W. H. Medikamentöse Therapie der motorischen Symptome beim Morbus Parkinson. Nervenarzt 88, 373–382 (2017).
  2. Deuschl, G. Frühtherapie bei Morbus Parkinson. Aktuelle Neurol. 38, 483–487 (2011).
  3. Baas, H. et al. Stellenwert von L-Dopa in der Therapie der Parkinson-Krankheit. Aktuelle Neurol. 40, 338–342 (2013).

Parkinson für Dummies 01: Behandlung jüngerer Patienten

Medikamentöse Behandlung von jüngeren Patienten mit idiopathischen Parkinson-Syndromen: Dopaminagonisten

Für die Behandlung idiopathischer Parkinson-Syndrome existiert ein eigentlich sehr schönes, wenn auch etwas in die Jahre gekommenes Schema aus den alten Leitlinien-Versionen, welches eine relativ einfache Unterteilung nach Krankheitsform und Alter des Patienten macht. Unterschieden werden dabei hypokinetisch-rigides und Parkinson-Syndrom vom Äquivalenztyp vom tremor-dominanten Parkinson-Syndrom und junge Patienten – womit man ein Lebensalter bei Erstmanifestation von < 70 Jahren meint – und Patienten, die älter als 70 Jahre sind.

Jüngere Patienten werden demnach in den allermeisten Fällen initial mit einem Dopaminagonisten behandelt, wovon in der Regel nur noch die Non-Ergot-Dopaminagonisten eingesetzt werden. Von diesen gibt es wiederum vier verschiedene Präparate (Piribedil, Pramipexol, Ropinirol und Rotigotin), wobei Pramipexol und Ropinirol auch als Retard-Präparate verfügbar sind, Rotigotin nur als trandermales Pflaster. Die Eindosierung und die Zieldosis unterscheiden sich von Präparat zu Präparat. Relativ praktisch empfinde ich aber diese Aufstellung, an die man sich gut halten kann und die – so glaube ich jedenfalls, finde die Originalquelle nicht mehr) ebenfalls aus einer älteren Leitlinienversion stammt:

SubstanzBeginnWöchentlich. SteigerungErhaltungsdosisGesamtdosis
Piribedil50 mg abends50 mg alle 2 Wochen2-3 x 50-100 mg150-250 mg
Pramipexol0,088 mg 3 x tgl.2. Woche:
0,18 mg 3 x tgl.
3. Woche:
0,35 mg 3 x tgl.
danach:
0,18 mg 3 x tgl. pro Woche
0,35-0,7 mg 3 x tgl.1,05-3,3 mg
Pramipexol retard0,26 mg morgens2. Woche:
0,52 mg morgens
3. Woche:
1,05 mg morgens
danach:
2,1 mg morgens
3,15 mg morgens
1,05-2,1 mg morgens1,05-3,15 mg morgens
Ropinirol1 mg morgens1 mg
ab 6 mg 1,5-3 mg/Woche
3-8 mg 3 x tgl.6-24 mg
Ropinirol retard2 mg morgens2 mg6-24 mg6-24 mg
Rotigotin transdermal2 mg/24 h2 mg/24 h4-8 mg/24 h (Frühstadium)
8-16 mg/24 h (fortgeschrittenes IPS)
6-16 mg/24 h

Zu Beginn einer Behandlung mit einem Dopaminagonisten kann – genauso wie bei der Behandlung mit L-Dopa – die vorübergehende prokinetische und antiemetische Behandlung mit Domperidon hilfreich sein. Dopaminagonisten sind ansonsten in der Regel gut verträglich, können aber zu relevanten Nebenwirkungen führen: Zum Einen zu einer Tagesmüdigkeit mit imperativem Schlafdrang, welcher durchaus auch beim Autofahren auftreten kann. Zum Anderen zu Impulskontrollstörungen und insbesondere bei älteren und ggfs. komorbid demenzkranken Patienten zu Halluzinosen und psychotischem Erleben. Sowohl Impulskontrollstörungen (welche von Hypersexualität bis zu Suchterkrankungen wie Kauf-, Spielsucht oder Substanzkonsum reichen können) und psychotische Nebenwirkungen sollten zu einem umgehenden Absetzen des Dopaminagonisten und zur Einleitung einer Therapie mit L-Dopa führen, um die es das nächste Mal gehen soll.

Medikamentöse Behandlung von jüngeren Patienten mit idiopathischen Parkinson-Syndromen: MAO-Hemmer

Eine weitere – gerade in der Frühtherapie des Parkinson-Syndroms – gerne genutzte Option ist die Behandlung mit einem MAO-Hemmer und zwar mit einem MAO-B-Hemmer (MAO-A-Hemmer werden als Antidepressiva eingesetzt). MAO-B-Hemmer gibt es nur zwei: Rasagilin und Selegilin. Selegilin ist das ältere Präparat wird im Gehirn teilweise in Amphetamine umgewandelt, scheint hierüber neurotoxisch zu wirken und wird dementsprechend kaum noch eingesetzt. Für Rasagilin gilt das nicht, zwischenzeitliche gegenteilige Hoffnungen auf einen direkten neuroprotektiven Effekt konnten zwar nie so richtig bestätigt werden, es konnte aber eine Art „krankheitsmodifizierende“ Wirkung gezeigt werden. Und zwar wurde in der Hoffnung der Bestätigung des neuroprotektiven Effektes, welcher sich wohl in Labor- und Tierstudien angedeutet hatte, ein sogenanntes Delayed-Start-Design in einer der Zulassungsstudien (ADAGIO) verwendet. D.h. ein Teil der Patienten begann mit Rasagilin, die anderen mit Placebo und im Laufe der Studie erfolgte ein Wechsel der zweiten Gruppe auch auf Rasagilin. Die früher behandelten Patienten wiesen einen für die mit Placebo gestarteten Probanden uneinholbaren Vorsprung in den motorischen Untersuchungsscores auf, so dass zumindest eine nur rein symptomatische Wirkung von Rasagilin wenig plausibel erscheint.
Mit 1 mg Rasagilin 1 x tgl. kann man Frühphasen einer Parkinson-Erkrankung teilweise sogar als Monotherapie behandeln und ansonsten ca. 100 mg L-Dopa-Äquivalent in der Tagesdosis einsparen (s.u.). Insbesondere Rasagilin ist sehr gut verträglich, relevante Nebenwirkungen treten kaum auf.

Äquivalenzdosis-Tabelle

Nicht ganz so präzise wie bei Opiaten, aber mit gewissen Einschränkungen ist es durchaus möglich, eine Äquivalenzdosis-Tabelle für Parkinson-Medikamente zu erstellen, so dass eine Umrechnung und Einordnung der gewählten Medikamenten-Dosis möglich wird:

MedikamentenklasseMedikamentÄquivalent 100 mg L-Dopa
L-DopaL-Dopa100
L-Dopa ret.133
Duodopa90
COMT-Hemmer*EntacaponL-Dopa x 0,33
TolcaponL-Dopa x 0,5
Dopamin-AgonistenPramipexol0,7 – 1,0 mg
Ropinirol3,0 – 5,0 mg
Rotigotin4 mg/24h
Piribedil100
MAO-B-HemmerSelegilin 10 mg p.o.10
Selegilin 1,25 mg s.l.1,25
Rasagilin1,0
andereAmantadin100
Apomorphin10
* bei den COMT-Hemmern die gesamte L-Dopa-Dosis incl. L-Dopa ret. mal den entsprechenden Wert nehmen. Bei Stalevo muss man L-Dopa + 33% mehr Wirkung über Entacapon zusammen rechnen.

nach S2K-Leitlinie Parkinson-Syndrome: Diagnostik und Therapie, 2012.
https://www.dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2012/pdf/ll_09_2012_parkinson-syndrome__diagnostik_und_therapie.pdf

Wann behandeln?

Bei der Behandlung von Parkinson-Syndromen müssen wir uns „eigentlich“ ja immer noch und weiterhin mit einer rein symptomatischen Therapie begnügen, was auf den ersten Blick wenig für eine umgehenden Therapiebeginn zu sprechen scheint. In den gängigen aktuelleren Publikationen wird aber immer mehr die früher durchaus akzeptierte „wait and see“-Strategie bei Parkinson-Syndromen in Frage gestellt und eine Behandlung bei Diagnosenstellung empfohlen. Hierfür werden in der Regel vier Punkte angeführt, wobei die ersten beiden und der letzte sich lediglich darauf beziehen, dass auch bei einem motorisch „frühen“ Parkinson-Syndrom ja „eigentlich“ die Erkrankung schon recht weit fortgeschritten ist und dementsprechend meist alltagsrelevante motorische und nicht-motorische Beschwerden mit in Studien relevanter Einschränkung der Lebensqualität bestehen, wovon wir in erster Linie die motorischen gut lindern können und das dementsprechend auch sollten. Entscheidender ist aber Punkt 3. Hier geht es noch einmal um Rasagilin und die „krankheitsmodifizierende“ Wirkung. Auf Grund dieses Umstandes wird ein unmittelbarer Therapiebeginn bei Diagnosenstellung empfohlen. Dies müsste man m.E. aber dann auch konsequent auf eine (Ko-)Behandlung mit Rasagilin eingrenzen, da es bis heute nicht überzeugend gelungen ist, einen ähnlichen Effekt z.B. für Dopaminagonisten zu zeigen.

Wo man weiterlesen kann

S3-Leitlinie Idiopathisches Parkinson-Syndrom: https://www.dgn.org/leitlinien/3219-030-010-idiopathisches-parkinson-syndrom

  1. Jost, W. H. Medikamentöse Therapie der motorischen Symptome beim Morbus Parkinson. Nervenarzt 88, 373–382 (2017).
  2. Deuschl, G. Frühtherapie bei Morbus Parkinson. Aktuelle Neurol. 38, 483–487 (2011).
  3. Jost, W., Friede, M. & Schnitker, J. Indirekte Metaanalyse randomisierter plazebokontrollierter klinischer Studien zu Rasagilin und Selegilin in der symptomatischen Behandlung der Parkinson-Krankheit. Aktuelle Neurol. 38, 242–252 (2011).
  4. Olanow, C. W. et al. A Double-Blind, Delayed-Start Trial of Rasagiline in Parkinson’s Disease. N. Engl. J. Med. 361, 1268–1278 (2009).
  5. Parkinson Study Group. A Controlled Trial of Rasagiline in Early Parkinson Disease. Arch. Neurol. 59, 1937 (2002).