Das ist nun das Wespennest-Thema, noch viel mehr als Long Covid bei Erwachsenen, zumindest auf Twitter und Co (#lLongCovidKids). Noch aufgeladener mit Emotionen, noch mehr instrumentalisiert, um die eigene (vorgefasste) Meinung zu bestätigen. Wie gehen wir es also an? So zumindest nicht:
Ich denke, wir machen es so wie beim Thema Long Covid bei Erwachsenen, wir schauen uns die zur Verfügung stehenden Studien und Paper an. Stand heute (08.08.2021) findet man bei pubmed 41 Einträge zum Thema long covid children (Link) und 899 Einträge zum Thema post covid children (Link). Dazu kommen noch unzählige Preprints. Insgesamt ist das Thema noch sehr um Fluss, die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie führt aktuell eine Erhebung zum Thema Post Covid-Symptome bei Kindern durch (Link), die federführend in Dresden koordiniert wird. Nur by the way: Wenn man aktuelle Zahlen zu Krankenhausaufnahmen von Kindern auf Grund von COVID19 usw. sucht, hier kann man gut aktuelle Informationen bekommen: DGPI COVID-19 Survey.
Long Covid Kids Journal Club
Wenn ich nichts wesentliches übersehen habe, wurden in den letzten Wochen v.a. drei Arbeiten zitiert. Daneben gibt es noch sehr sehr viele andere Arbeiten, welche – noch mehr als beim Thema Long Covid bei Erwachsenen – komplett konträre Positionen zu bestätigen scheinen. Mit zwei von denen fangen wir kurz an:
Die Internetfragebogen-Studie für Kinder
Buonsenso, D., Munblit, D., & Simpson, F. K. (2021). Clinical characteristics, activity levels and mental health problems in children with Long COVID: a survey of 510 children. Preprints, March. https://doi.org/10.20944/preprints202103.0271.v1
Vielleicht aus Gründen ist diese Untersuchung bislang nicht über den Preprint-Status gekommen. Worum geht’s? Es wurde eine anonyme Internetbefragung durchgeführt, welche von Kindern mit Long Covid und ihren Eltern entwickelt wurde. Hieran nahmen dann 510 Probanden teil, die angaben länger als vier Wochen an Long Covid-Beschwerden zu leiden. Es gab offenbar Fragen, die von den Kindern selber und Fragen, die von den Eltern beantwortet werden sollten. Die häufigsten Symptome waren Müdigkeit und Schwäche (444 Probanden, 87,1%), Kopfschmerzen (401 Probanden, 78,6%), Bauchschmerzen (387 Probanden, 75,9%), Muskel- und Gelenkschmerzen (309 Probanden, 60,6%), Hautausschlag (267 Probanden, 52,4%). Fast 95% der Teilnehmer gaben mindestens vier Symptome an, 25,3% der Probanden hatten konstant anhaltende Beschwerden, 49,4% litten an einem Long Covid-Rezidiv und nur 10% der Probanden erholten sich komplett.
Was die Studie auszeichnet ist, dass die Autoren sich der Limitation ihrer Aussagen selbst bewusst sind:
This study has several limitations to address. First, it is an online survey that was only shared through an online platform and not systematically proposed to consecutively diagnosed children within specific settings, therefore determining a selection bias. Also, this survey has been launched on the page of Long COVID Kids UK, which was created with the purpose to provide awareness and support to families with children with Long COVID. Therefore, parents of children with persisting symptoms may have had more interest in participating in this survey, and this can explain the large number of children with persisting symptoms in this cohort, when compared with other cohorts. Therefore, we were not able to define the incidence of Long COVID in children. Another limitation is that not all children received a microbiologically confirmed diagnosis.
Die Lungenfunktions-Studie
Knoke, L., Schlegtendal, A., Maier, C., Eitner, L., Lücke, T., & Brinkmann, F. (2021). More complaints than findings – Long-term pulmonary function in children and adolescents after COVID-19. MedRxiv, 2021.06.22.21259273. https://doi.org/10.1101/2021.06.22.21259273
Auch ein Preprint. Diese Arbeit aus Bochum wird teilweise zitiert, um deutlich zu machen, dass Long Covid bei Kindern kein Problem darstellt. Worum es in erster Linie in dem Paper geht ist, dass die Autoren verschiedene Lungenfunktionstestungen bei 73 Kindern- und Jugendlichen mit anhaltenden Luftnot-Beschwerden nach relativ schweren COVID-Infektion durchgeführt und dies mit einer Kontrollgruppe (45 Kinder) ohne SARS-CoV2-Infektion verglichen haben. 27% der Kinder und Jugendlichen mit durchgemachter SARS-CoV2-Infektion hatten über anhaltende Atemwegsbeschwerden geklagt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe konnte aber nur in 12% der Fälle eine Pathologie in den apparativen Untersuchungsverfahren gefunden werden (bei 16% in der Kontrollgruppe). Die Autoren schließen daraus, dass
The discrepancy between persistent respiratory symptoms and normal pulmonary function suggests a different underlying pathology such as dysfunctional breathing.
Weiter schreiben sie:
Similarly, other studies in children with viral infections, such as RSV or rhinovirus, detected acute and long-term loss of pulmonary function.
Worum es in der Arbeit gar nicht geht, sind die „typischen“ Long Covid-Symptome wie Erschöpfbarkeit, Müdigkeit, verminderte körperliche Belastbarkeit.
Prospektive Studie aus Großbritannien
Molteni, E., Sudre, C. H., Canas, L. S., Bhopal, S. S., Hughes, R. C., Antonelli, M., Murray, B., Kläser, K., Kerfoot, E., Chen, L., Deng, J., Hu, C., Selvachandran, S., Read, K., Capdevila Pujol, J., Hammers, A., Spector, T. D., Ourselin, S., Steves, C. J., … Duncan, E. L. (2021). Illness duration and symptom profile in symptomatic UK school-aged children tested for SARS-CoV-2. The Lancet Child & Adolescent Health, 4642(21), 1–11. https://doi.org/10.1016/S2352-4642(21)00198-X
Das ist die erste der drei in der letzten Zeit vermehrt zitierten Studien. Es handelt sich um eine sehr große, prospektive und regulär veröffentlichte (kein Preprint) Studie aus Großbritannien, die Daten verwendete, bei denen Erwachsene (vermutlich in erster Line Eltern) per App Daten zu auf SARS-CoV2-positiv getesteten Kindern angeben konnten. Gescreent wurden 258.790 Kinder, von denen 75.529 positive SARS-CoV2-Testergebnisse hatten. Eingeschlossen wurden am Ende 1734 Kinder (588 im Alter zwischen 5 und 11 Jahren, 1146 im Alter zwischen 12 und 17 Jahren). Es gab eine Vergleichsgruppe mit Kindern mit einem Infekt aber mit negativer SARS-CoV2-Testung. Am häufigsten wurden in der Gruppe mit positivem COVID-Test Kopfschmerzen (62%) und Müdigkeit (55%) als Symptome angegeben. Die mittlere Erkrankungsdauer betrug 6 Tage, in der Kontrollgruppe 3 Tage. Ältere Kinder waren im Schnitt zwei Tage länger als jüngere Kinder symptomatisch.
Krankheitssymptome über 28 Tage hatten 4,4% der COVID-positiven Kinder, wobei auch hier die ältere Kohorte mehr als die jüngere Kohorte betroffen war (5,1% vs. 3,1%). Die Symptomlast nach 28 Tagen war sehr gering. Bei 1,8% der COVID-19-positiven Kinder bestanden Symptome über mehr als 56 Tage (bei 0,9% der Kontrollgruppe).
Die Autoren diskutieren, dass sie eine deutlich niedrigere Long Covid-Prävalenz ermittelt haben, als die Daten der britischen Statistikbehörde (ONS) nahelegen würden und vermuten, dass dies unter Umständen mit unterschiedlichen Studienpopulationen und der Tatsache, dass bei den ONS-Erhebungen zwei asymptomatische Nachbeobachtungstermine für ein definiertes Krankheitsende benötigt werden, in der Studie aber nur einer, zusammenhängen könnte.
Die Schweizer Studie zu Long Covid bei Kindern
Radtke, T., Ulyte, A., Puhan, M. A., & Kriemler, S. (2021). Long-term symptoms after SARS-CoV-2 infection in school children: population-based cohort with 6-months follow-up. MedRxiv, 2021.05.16.21257255. https://doi.org/10.1101/2021.05.16.21257255 (Preprint) und
Radtke T, Ulyte A, Puhan MA, Kriemler S. Long-term Symptoms After SARS-CoV-2 Infection in Children and Adolescents. JAMA. Published online July 15, 2021. doi:10.1001/jama.2021.11880 (reguläres Paper, pdf aber nur mit Account erhältlich)
Das ist vermutlich die meistbesprochene Studie der letzten Zeit zum Thema Long Covid bei Kindern. Daher stelle ich sie etwas ausführlicher vor. In der Studie wurden Daten aus der Ciao Corona-Untersuchung verwendet (Link). Ciao Corona ist eine Längschnitt-Kohortenstudie, in der die Prävalenz für SARS-CoV2 in 55 Schulen im Kanton Zürich untersucht wurden. Es gab eine Phase mit Lockdown und Schulschließung im Studienzeitraum (16.03.-10.05.2020), ansonsten waren die Schulen bis auf die Ferien offen. Im Rahmen der Ciao Corona-Studie wurden Blut-Reihentestung auf SARS-CoV2-Antikörper durchgeführt. Für die Long Covid-Untersuchung wurden Kinder eingeschlossen, die zwischen Oktober und November 2020 (also in der zweiten Erkrankungswelle mit dem SARS-CoV2-Wildtyp) seropositiv getestet wurden. Es wurde eine Kontrollgruppe aus negativ getesteten Kindern gebildet. Zwischen März und Mai 2021 wurden die Eltern der Kinder mittels Fragebogen zu Symptomen, die länger als vier, bzw. 12 Wochen angehalten hatten, befragt.
Eingeschlossen in die Studie wurden am Ende 1355 von 2503 zunächst gemeldeten Kindern und Jungendlichen, davon 109 in der Untersuchungs- und 1246 in der Kontrollgruppe. Die Studienteilnehmer waren eher jünger (11 Jahre im Mittel), weibliches Geschlecht und ein höherer Bildungsstand in der Häuslichkeit dominierten die Studienpopulation. In der Studie wurden sehr niedrige Häufigkeiten von Long Covid-Symptomen gefunden. Knapp 10% der seropositiven Kinder hatten Beschwerden über 4 Wochen, 4% hatten mindestens ein Symptom, was länger als 12 Wochen anhielt. Kongruent zu vielen anderen Untersuchungen wurden als häufigste Long Covid-Symptome anhaltende Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und ein vermehrter Schlafbedarf berichtet.
seropositiv (109 Probanden) | seronegativ (1246 Probanden) | |
Demographische Daten | ||
Weibliches Geschlecht | 58 (53%) | 669 (54%) |
6 – 11 Jahre | 66 (61%) | 703 (56%) |
12 – 16 Jahre | 43 (39%) | 543 (55%) |
Mindestens 1 Symptom mehr als 12 Wochen | 4 (4%) | 28 (2%) |
Müdigkeit | 3 (3%) | 10 (1%) |
Konzentrationsschwierigkeiten | 2 (2%) | 8 (1%) |
Vermehrtes Schlafbedürfnis | 2 (2%) | 0 (0%) |
Verstopfte oder laufende Nase | 1 (1%) | 3 (< 1%) |
Magenschmerzen | 1 (1%) | 3 (< 1%) |
Thorakales Engegefühl | 1 (1%) | 0 (0%) |
Mindestens 1 Symptom mehr als 4 Wochen | 10 (9%) | 121 (10%) |
Müdigkeit | 7 (6%) | 51 (4%) |
Kopfschmerzen | 5 (5%) | 39 (3%) |
Verstopfte oder laufende Nase | 3 (3%) | 40 (3%) |
Magenschmerzen | 3 (3%) | 18 (1%) |
Schlafstörungen | 3 (3%) | 14 (1%) |
Husten | 2 (2%) | 15 (1%) |
Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes | ||
Sehr gut | 43 (41%) | 497 (41%) |
Gut | 56 (53%) | 680 (55%) |
Ausreichend | 5 (5%) | 48 (4%) |
Schlecht | 2 (2%) | 2 (< 1%) |
Auch diese – im Vergleich zu vielen anderen Studien gut konzipierte – Arbeit hat Schwächen, sehr anschaulich wurde das in diesem Twitter-Thread erläutert:
Eine Kritik an der Schweizer Studie zu Long Covid bei Kindern ist, dass die Studie nur 109 seropositive Kinder aufweist. Nat. ist eine geringe Zahl immer problematisch bei der Einschätzung. Wie sicher kann man sich mit den angegebenen Werten sein?
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.05.16.21257255v2.supplementary-material (1/n)
Bei der Studie wurden 109 Kinder im Alter von 6-16 Jahren einbezogen, die positiv auf COVID-19-Antikörper getestet wurden. Außerdem gab es eine Kontrollgruppe von 1246 Personen, die negativ getestet wurden. So ist eine Überprüfung möglich, inwieweit Virus ursächlich ist. (2/n)
Von den 109 Seropositiven hatten 4 länger als 12 Wochen lang mindestens ein Symptom gemeldet (≈ 3,67%) im Vergleich zu 28 von 1246 in der Vergleichsgruppe (≈ 2,25%). Doch wie sicher können wir uns sein, dass diese Werte auch bei einer höheren Testgruppe auftreten würden? (3/n)
Dazu können wir uns die Betaverteilung ansehen und so ein 95%-Konfidenzintervall bestimmen. Für die 4 von 109 Personen mit >=1 Symptom nach >12 Wochen erhalten wir ein sehr breites Intervall von 1,02% bis 7,9%. Die Unsicherheit ist aufgrund der geringen Zahl recht hoch. (4/n)

Doch was fällt weiter auf? Die Betaverteilung ist linkssteil/rechtsschief. Demnach sind Werte < Ø deutlich wahrscheinlicher, als Werte > Ø. Das ist typisch für Tests mit geringer Personenzahl und kleinem Alphawert. Woran liegt das? (5/n)
Die Verteilung sieht so aus, da aufgrund der geringen Personenzahl eine starke Unsicherheit besteht und Abweichungen vom Durchschnittswert wahrscheinlicher auftreten können. Dabei ist für Abweichungen nach unten weniger Platz als nach oben. Es „staut“ sich nach unten. (6/n)
Das führt dazu, dass der wahrscheinlichste Wert mit 2,8% für das Auftreten von mindestens einem Symptom über 12 Wochen lang bei seropositiven Kindern im Alter von 6 -16 Jahren unter dem Ø von 3,67% liegt. Das Konfidenzintervall muss natürlich im Hinterkopf behalten werden. (7/n)
Bei seronegativen Kindern berichteten 28 von 1246 von >= 1 Symptom mehr als 12 Wochen lang (≈ 2,25%). Aufgrund der größeren Personenzahl liegt das 95%-Konfidenzintervall zwischen 1,5% und 3,14% und ist damit deutlich schmaler als das bei den Seropositiven (geringere Zahl). (8/n)

Aufgrund der höheren Zahl ist die Betaverteilung auch nur minimal rechtsschief. Dadurch liegt der wahrscheinlichste Wert mit 2,17% nur minimal unterhalb des Ø von ≈ 2,25%. Der wahrscheinlichste Wert für Seropositive liegt mit 2,8% nur leicht über 2,17% Seronegativer. (9/n)
Es lohnt sich auch ein Blick auf die Zahl der Kinder, die >2 Symptome >12 Wochen lang berichteten. Bei 109 Seropositven waren es 3 (≈ 2,75%), bei 1246 Seronegativen 6 (≈ 0,48%). Auch hier können wir die Betaverteilung nutzen, um wahrscheinlichsten Wert zu berechnen. (10/n)
Das 95%-Konfidenzintervall für die 3 von 109 Kindern ist wieder recht weit und liegt zwischen 0,58% und 6,53%. Hierbei liegt der wahrscheinlichste Wert aus den zuvor genannten Gründen mit ≈ 1,87% unter dem Ø von ≈ 2,75%. (11/n)

Das 95%-Konfidenzintervall für die 6 von 1246 Kinder liegt zwischen 0,18% und 0,93%. Der wahrscheinlichste Wert liegt auch hier mit 0,4% unter dem Ø von 0,48% und auch deutlich unter dem wahrscheinlichsten Wert für Seropositive mit 1,87% (minus 1,47 Prozentpunkte). (12/n)

Die 95%-Konfidenzintervalle überlappen sich im Bereich zwischen 0,58% und 0,93%. Dass der eigentliche Wert gleichzeitig für Seropositive und Seronegative in diesem Bereich liegt, ist mit rund 1,4% jedoch recht unwahrscheinlich (vgl. auch wahrscheinlichste Werte). (13/n)
Bei den vorherigen Berechnungen ist sowohl auf die Sensitivität und die Spezifität der Tests nicht eingegangen worden. Auch hier besteht natürlich eine gewisse Unsicherheit. (14/n)
Bei der Risikobetrachtung muss auch die Schwere der gemeldeten Symptome betrachtet werden. Die Einzelsymptome, die gemeldet wurden und dabei länger als 12 Wochen bei den Seropositiven vorkamen, traten nie mehr als bei je 3 Kindern auf. (15/n)
Die Symptome, die länger als 12 Wochen andauerten und gemeldet wurden, waren: Müdigkeit (3 seropositive Kinder), Konzentrationsschwierigkeiten (2), erhöhtes Schlafbedürfnis (2), verstopfte oder laufende Nase (1) und Bauchschmerzen (1). (16/n)
Darunter fallen mit Müdigkeit und erhöhtes Schlafbedürfnis auch zwei Symptome, die doch sehr ähnlich sind. Nennung beider Symptome, die das selbe beschreiben könnten, sind daher möglich, was direkt zu einer erhöhten Meldung von Symptomen führen kann. (17/n)
Schwerwiegende Langzeitfolgen wie Herzmuskelentzündungen wurden hingegen offensichtlich nicht gemeldet. Allerdings dürfte eine solche Folge auch sehr selten sein. Dafür ist die Zahl von 109 Seropositiven auch zu gering, um das festzustellen. (18/n)
Wünschenswert wäre deshalb eine Studie mit vielen Seropositiven und ebenfalls einer Kontrollgruppe, um die Kausalität feststellen zu können. Auch wäre die Untersuchung eines längeren Zeitraums wünschenswert, um festzustellen, ob die Symptome abklingen. (19/n)
Wir wissen, dass bei anderen uns bekannten Viruserkrankungen (RS-Virus, Influenza) Langzeitfolgen auftreten können. Auch hier muss für die Risikobetrachtung eine Einordnung stattfinden und geprüft werden, wie diese Folgen im Verhältnis zu anderen Viruserkrankungen auftreten.(n/n)
Originally tweeted by Daniel Haake (@haake_daniel) on 20. Juli 2021.
Die sächsische Studie
Blankenburg, J., Wekenborg, M. K., Reichert, J., Kirsten, C., Kahre, E., Haag, L., Schumm, L., Czyborra, P., Berner, R., & Armann, J. P. (2021). Mental health of Adolescents in the Pandemic: Long-COVID19 or Long-Pandemic Syndrome? MedRxiv, 2021.05.11.21257037. https://doi.org/10.1101/2021.05.11.21257037
Diese Studie, die bislang nur als Preprint existiert, ist auf den ersten Blick relativ ähnlich konzipiert wie die Schweizer Studie. Untersucht wurden aber Schüler der Klassen 8-12 in Ostsachsen. Damit sind sie aber älter als in der Schweizer Studie. Der größte Vorteil hiervon ist, dass die Probanden selber die Fragen zu ihrem Gesundheitszustand beantworten konnten (und durften). Hinsichtlich der eingeschlossenen Probanden (188 seropositive Teilnehmer und 1365 seronegative) ähnelt die Verteilung dann wieder der Schweizer Arbeit. Abgefragt wurden in erster Linie neuropsychologische Symptome. Das bemerkenswerte Ergebnis ist, dass zwischen den Angaben zu Long Covid-Symptomen der seropositiv und der seronegativ getesteten Teilnehmer kein signifikanter Unterschied bestand, sondern die Symptome relativ gleich verteil waren, insgesamt aber mit hohen Prävalenzen berichtet wurden. Die Autoren diskutieren daher, ob es sich bei den Symptomen wirklich um Long Covid- und nicht um Long Pandemie-Beschwerden handeln könnte. Sie schreiben
The equal prevalence of neurocognitive, pain and mood symptoms in seronegative and seropositive adolescents in our study does not negate the existence of Long-COVID19 symptoms in general or in the pediatric population. However, it does suggest that they occur less frequently than previously assumed – at least in children and adolescents with only mild to asymptomatic courses of disease – as were investigated by this study. Furthermore, it confirms the negative effects of lockdown measures on mental health and well-being of children and adolescents16. These effects – affecting this whole age group – need to be balanced with the risk of Long-COVID19 in infected individuals. This balancing act will be a difficult task for public health officials and political officials. Nevertheless, it will be a necessary one when aiming to improve mental health in adolescents.
Ich halte das für einen interessanten Gedanken.
Fazit
Long Covid bei Kindern scheint viel seltener aufzutreten als bei Erwachsenen. Während wir bei Erwachsenen in der 10% und drüber-Kategorie sind, sind es bei Kindern deutlich unter 10%, eher um die 5% oder weniger. Long Covid bei Kindern und Jugendlichen scheint auch – wenn man die zur Verfügung stehenden Studien mit besserer Qualität betrachtet – relativ gutartig zu verlaufen, ein Großteil der Beschwerden bildet sich innerhalb von 4 Wochen zurück. Die Ergebnisse der sächsischen Studie sind sicherlich interessant, die Frage was Long Covid ist und was Long Pandemie kam ja auch in einigen Studien zu Long Covid bei Erwachsenen auf.
Durch die insgesamt geringeren Fallzahlen kann man sehr seltene Long Covid-Symptome schlechter einschätzen, als bei Erwachsenen. Das heißt Dinge wie eine sekundär sklerosierende Cholangiopathie würden mit der derzeitigen Datenlage vermutlich übersehen.